Botschaft des Schreckens
Stella schon hier?«
Teresa zögerte. »Etwa ein Jahr. Vorher hatten wir schlechte Zeiten – auf dem rancho lief es nicht allzu gut. Pedro, Tante Rosa und ich waren die einzigen Bediensteten hier. Dann, plötzlich, ging alles besser, und der Gärtner und das Mädchen wurden eingestellt. Man wird hier recht gut bezahlt, und niemand braucht Überstunden zu machen. Das ist nicht überall so. Dort, wo Joe und Stella vorher gearbeitet hatten, bekamen sie fast kein Geld und wurden ganz schlecht behandelt. Tante Rosa sagt, daß sie deswegen immer noch so ruhig, so zurückhaltend sind.«
Das Essen duftete verlockend, aber dies war die erste richtige Gelegenheit für mich, Fragen zu stellen. »Und der alte Pedro?«
»Pedro ist schon so lange hier, daß meine Tante sagt, daß er mit Coronado gekommen sein muß. Natürlich ist das nur ein Scherz – das weiß ich aus meinen Geschichtsbüchern –, aber Pedro war schon hier, bevor die drei Herren geboren wurden. Wahrscheinlich ist er deswegen so stolz. Wenn der Hacienda irgend etwas passiert, dann wird er, glaube ich, sterben.«
Was Teresa mir da über die anderen Bediensteten erzählte, half mir, sie besser zu verstehen. Joe und Stella waren offenbar von Haus aus recht unfreundlich, während Pedro alle außer den Monteras von oben herab behandelte. Nicht aus persönlichen Gründen – man muß nur einfach ein Montera sein!
Ein Montera… Wieder sah ich Don Carlos’ Gesicht vor mir – müde und streng, und doch nicht ohne Wärme und Zärtlichkeit. »Teresa«, fragte ich ruhig, »hast du jemals Dolores gesehen, Don Carlos’ Frau? Oder war sie schon tot, als…«
Das Mädchen ließ mich nicht ausreden. »O nein, sie war noch nicht tot, als wir auf die Hacienda kamen. Ein Jahr lang war sie noch hier. Sie war so schön, so stolz, so temperamentvoll. Don Carlos liebte sie wie verrückt! Immer kaufte er ihr teure Dinge. Haben Sie diese Truhen in ihren Gemächern gesehen? Sie sind voll von seinen Geschenken: Diamanten, Smaragde, Rubine, alle Arten von Geschmeide, Silber und Seide. Manchmal träume ich, daß ich die schöne Herrin einer Hacienda bin und auch solche Dinge trage, aber natürlich sind das nur Träume. Father Vala schalt mich deswegen.«
»Dann ist Dolores also schon einige Jahre tot. Ich weiß nicht, aber ich dachte…«
Von neuem trat ein Ausdruck von Furcht in die dunklen Augen des Mädchen. »Sie ist nicht tot, Señorita. Dona Isabella sagt immer, daß Dolores noch bei uns ist. Ich weiß, daß sie alt ist, und alte Leute bilden sich manches ein. Nur…«
Bei einer kleinen Plaudertasche wie Teresa konnte dieses plötzliche Schweigen nur eines bedeuten: Sie glaubte, daß es auf der Hacienda Montera spuke. »Hör zu, meine Kleine«, sagte ich. »So redet man eben. Aber ich bin ganz sicher, daß niemand Dolores wirklich gesehen hat.«
» Si , Señorita…«, schluckte Teresa. »Man hat sie gesehen.«
»Wirklich? Wer?«
»Pedro«, sagte Teresa ganz leise. »Er glaubte Dona Isabella nicht, bis… ja, vor ungefähr einem Jahr. Als er da eines Nachts wie immer durch die Hacienda ging und Lichter ausmachte und Türen versperrte… da kam Dolores aus ihrer sola.«
»Hör zu«, sagte ich scharf. »Auch Pedro ist alt. Seine Augen sind nicht mehr gut. Und wenn nur er und Dona Isabella…«
»Nein, Señorita«, entgegnete Teresa ungeduldig. »Ich würde das auch gern glauben, aber Pedro ist anders. Er ist noch ganz auf der Höhe und hat für sein Alter sehr scharfe Augen. Nein, er hat sie gesehen; nicht nur einmal, sondern mehrere Male.« Teresa holte tief Atem. »Sie trägt das rote Taftkleid wie auf dem Bild. Sie kommt in den Korridor, als würde sie jemanden suchen – Don Carlos natürlich. Und dann bleibt sie stehen, hüllt sich in ihren Schal, als sei ihr kalt, und geht wieder in ihre sala zurück.«
»Also gut.« Ich bemühte mich, sachlich zu bleiben. »Dann wären es zwei. Dennoch, sie sind beide schon alt. Gibt es sonst noch irgend jemanden?«
»Si, Joe und Stella«, nickte Teresa triumphierend. »Sie waren gerade in die Personalräume im hinteren Teil der Hacienda eingezogen, da weckten sie uns auf und sagten, daß sie da nicht bleiben könnten. Sie sagten, sie wollten in der Küche Streichhölzer suchen, und da verirrten sie sich, gingen durch die falsche Tür, und da stand eine schöne Frau in einem roten Kleid. Joe sagte, er dachte, es sei jemand, der hier wohnt. Und er fing an, ihr zu erklären, daß er und Stella sich
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