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Botschaft des Schreckens

Botschaft des Schreckens

Titel: Botschaft des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanche Mosler
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holen.«
    Automatisch erhoben sich auch Antonio und Miguel. Miguel bot mir höflich den Arm; aber es war nur etwas, was man ihm anerzogen hatte, nicht mehr.
    Als Dona Isabella und ich in die große  sola  kamen, lief uns gerade Stella über den Weg und verschwand gleich darauf wieder, um den schwarzen Schal zu bringen. Während ich in mein Zimmer ging, um mir etwas Warmes zum Überziehen zu holen, bedrängte mich der Gedanke, daß ich mich auf diesem Weg, den ich nun schon so oft gegangen war, noch nie so bedrückt gefühlt hatte wie jetzt. Selbst in der vergangenen Nacht hatte ich mich damit getröstet, Freunde zu haben, wenn ich sie nur finden konnte.
    Als ich wieder zu Abuela zurückkehrte, war sie von Kopf bis Fuß in den schwarzen Kaschmirschal mit den langen Fransen gehüllt, mit dem ich sie zuallererst gesehen hatte. »Kommen Sie,« sagte sie munter, »es ist so gut, wieder einmal hinausgehen zu können!« Als wir durch das Eingangsportal hinaustraten, wußte ich, daß sie recht hatte. Von meinem Zimmer aus hatte ich nur einen winzigen Teil des Anwesens gesehen. Jetzt stand ich staunend vor einer sonnenüberfluteten Welt, wo alles aus Gold zu sein schien – von den kastilischen Rosen bis zu den Mauern der Hacienda selbst! »Oh, wie schön!« rief ich. »Hätten die  conquistadores  so etwas gesehen, sie hätten geschworen, es sei eine der sieben goldenen Städte von Cibola!«
    Abuela, die beinahe ebenso überwältigt zu sein schien wie ich, lächelte mir zu. »Si, die sieben goldenen Städte. Viele haben sie gesucht, doch niemand hat sie gefunden.«
    In diesem Moment kam Joe um die Ecke des Hauses, Gartengeräte in der Hand. Erstaunt starrte er uns an. Abuela warf den Kopf zurück. »Machen Sie kein solches Gesicht«, befahl sie. »Don Carlos hat uns einen Spaziergang gestattet.« Den verständnislosen Blick des Gärtners bemerkend, wiederholte sie es auf Spanisch.
    Joes Miene hellte sich auf. »Si«, nickte er.  »Bueno!«
    »Er spricht fast kein Englisch«, erklärte mir Abuela, »und versteht es auch kaum.«
    Als wir uns etwas entfernt hatten, so daß er uns nicht mehr hören konnte, sagte sie: »Natürlich möchte ich, daß Sie meine Rosen sehen; aber das ist nicht der Grund, warum ich Sie hierher geführt habe. Ich möchte Ihnen etwas sagen, Sally, und bitte Sie, mir gut zuzuhören. Heute morgen schienen Sie zu glauben, daß Sie sich noch in Ihrer eigenen Welt befinden. Aber da irren Sie sich. Sie sind auf der Hacienda Montera. Hier widerspricht eine spanische Frau nicht den  ricos.  Selbst ich weiß, wann es Zeit ist, ein Thema fallenzulassen.«
    »Aber mir kommt es doch nicht darauf an, zu widersprechen. Es ist nur…«
    »Daß Sie Angst haben«, nickte Dona Isabella. »Aber meine Enkel sind es einfach nicht gewöhnt, sich von Frauen attackieren zu lassen. Darum hören Sie auf mich. Als ich so jung war wie Sie, lagen mir die Männer zu Füßen… Man brachte mir Serenaden dar und kämpfte darum, mit mir die Varsoviana tanzen zu dürfen. Sobald ich aber einmal verheiratet war, war mein Mann Herr und Meister, wie es vorher mein Vater gewesen war. Wenn meine Enkel mich jetzt zu verwöhnen scheinen, und mir gehorchen… dann deswegen, weil ich nicht mehr lange hier sein werde… das wissen sie.«
    Abuela führte mich zu einer eisernen Bank, und wir setzten uns. »Ich weiß, daß ich Ihre Enkel nicht hätte verletzen sollen«, sagte ich. »Aber so, wie Sie es jetzt sagen, klingt es beinahe, als müßte ich mich vor ihnen fürchten.«
    Ihr Gesicht nahm wieder den alten, undurchdringlichen Ausdruck an. »Vor meinen Enkeln fürchten?« fragte sie scharf. »Wie kommen Sie denn darauf? Aber jetzt muß ich etwas ruhen, wenn Sie erlauben. Father Valas Tod macht diese Tage zu den traurigsten meines Lebens… erst recht, da er zur letzten Ruhe gebettet werden wird, ohne daß ein Montera dabei ist.«
    Abuelas kleine, aufrechte Gestalt schien unter ihrem schwarzen Schal zusammenzusinken. Ich weiß nicht, wie lange wir so saßen. Sie schien einzunicken. Dennoch gefiel es mir hier im Sonnenlicht viel besser als in der Hacienda. Joe war es, der uns schließlich wieder in die Wirklichkeit zurückholte.
    »Si«,  sagte Abuela und öffnete die Augen. »Ich muß eingeschlafen sein. Oh, ich habe so schön geträumt. Ich ging hier mit meinem Mann spazieren, und« – ihr altes Gesicht schien wieder jung zu werden – »es war Frühling… Der Mond schien… und…« Seufzend nahm sie Joes freundlich gebotenen Arm.

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