Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bottini, Oliver - Louise Boni 01

Titel: Bottini, Oliver - Louise Boni 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mord im Zeichen des Zen
Vom Netzwerk:
Portemonnaie befanden sich Fotos seiner Söhne und knapp vierhundertzehn Euro.
    Sie stand in seiner Nähe, blickte auf den See hinaus und wartete auf Bermann und Zancan. Plötzlich war die Luft erfüllt vom Klang zahlreicher Martinshörner.
    Der Schnee färbte sich hellblau. Hektik kam auf. Kollegen in Uniform nahmen Fröbick in Gewahrsam.
    Anne Wallmer und Schneider waren da und fragten sie etwas, aber sie hatte keine Lust zu antworten. Jemand nahm ihr die Pistole aus der Hand. Kranken-wagen kamen.
    In den Lärm der Motoren und Stimmen mischte sich Kinderweinen. Zancan trug das Mädchen aus Poipet, Bermann trug Pham. Das Mädchen weinte.
    Beide Kinder waren zu dünn angezogen, hatten keine Mützen auf und gerötete Wangen. Aber sie schienen, zumindest körperlich, unversehrt zu sein.
    Zancan umarmte sie im Vorbeigehen.
    Bermann blieb vor ihr stehen und tat nichts. Dann nickte er und sagte: «Okay.» Sie fand, das Wort klang, als wären darin eine Menge andere Wörter verborgen.
    Wörter wie: Du hattest Recht. Es tut mir Leid. Danke.
    Gott sei Dank hast du nicht auf mich gehört. Du hast noch mal gezeigt, dass wir dich brauchen. Wir freuen uns, wenn du bald wiederkommst. Aber jetzt musst du gehen. Ich wünsch dir alles Gute für den Abgrund.
    Solche Wörter.
    Sie sagte ebenfalls: «Okay.»
    Pham gab einen Laut von sich, der ähnlich klang wie «Okay». Er starrte sie an, einen Finger im Mund.
    Ob er sie wiedererkannte, ließ sich nicht sagen. Sie wartete darauf, dass Bermann ihn endlich absetzte.
    Dann hätte sie seine Hand genommen und ihn zu einem der Ärzte gebracht. Eine Decke um ihn gelegt, ihn gewärmt und dafür gesorgt, dass er zu netten Eltern kam. Aber Bermann setzte ihn nicht ab und machte auch nicht den Eindruck, als hätte er vor, ihn in nächster Zeit loszulassen.
    Sie hob die Hand und berührte Phams Wange. Die Haut war kalt und glatt. Pham reagierte nicht, sah sie nur mit großen Augen an. Sie zog die Hand zurück.
    Natchayas Worte, sie könne nicht die Welt retten, fielen ihr ein. Nein, dachte sie, sie konnten nicht die Welt retten. Aber sie hatten Pham und das Mädchen aus Poipet gerettet. Einen oder zwei Menschen retten zu können, das war viel. Unendlich viel, wenn man be-dachte, wie schnell man einen Menschen verlieren konnte.
    Pham wandte sich Bermann zu. Mit einem Finger berührte er dessen Schnurrbart. «Der gefällt dir, was?», fragte Bermann.
    Pham sagte etwas auf Vietnamesisch.
    «Wenn ich nur wüsste, was du meinst», sagte Bermann.
    «Er fragt, ob du sein neuer Vater bist», sagte Louise.
    Gegen eins waren die Formalitäten erledigt. Bermann hatte Pham zu sich nach Hause gebracht und war dann wiedergekommen. Lederle war gegen elf grau und ausgelaugt heimgefahren. Sie hatten ihr Gespräch auf die Zeit danach verschoben. Ohne sich von Bermann, Almenbroich oder einem der anderen zu verabschieden, verließ sie das Dienstgebäude. Zancan lief ihr nach und sagte: «Ich bring Sie heim.» Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, dachte Louise erschöpft. Während der kaum fünfminütigen Fahrt schlief sie. «Viel Glück», sagte Zancan und umarmte sie zum Abschied erneut.
    Ronescus Küche war erleuchtet. Fernsehstimmen drangen aus seiner Wohnung, als sie an der Tür vorbeiging. Katrin Rein war fort. Die Skizze mit der Linie und den Begriffen hatte sie mitgenommen. Louise ließ sich aufs Sofa fallen, legte sich auf den Rücken, streckte Arme und Beine von sich. Phams dunkle Augen folgten ihr. Da klingelte das Telefon.
    «Schläfst du schon?», fragte Lederle.
    «Nein.»
    «Gut», sagte Lederle. «Ich will, dass du’s weißt. Du bist mir wichtig, und deshalb wirst du’s jetzt doch noch erfahren.»
    Nicht Antonia hatte Krebs, sondern er. Eineinhalb Jahre lang hatte er ihnen etwas vorgemacht. Nur Almenbroich und, seit kurzem, Bermann hatten Bescheid gewusst, niemand sonst.
    Nicht Antonia war krank, sondern Lederle.
    Sie setzte sich schweigend auf. In ihrem Kopf war Pham, nicht Lederle. Es gelang ihr nicht, ein Gefühl in Bezug auf das zu entwickeln, was er gesagt hatte, so-sehr sie sich auch bemühte. In ihrem Bewusstsein regten sich nur Gefühle in Bezug auf Pham und Taro, Natchaya, Fröbick, den Roshi, Richard Landen. Andererseits hatte sie kaum noch Kraft, sich zu bemühen.
    Nicht Antonia hat Krebs, dachte sie, sondern Reiner. Eineinhalb Jahre lang hatten sie sich fast täglich gesehen, und sie hatte nicht gewusst, was er durch-machte. In Wahrheit war ein ganz anderer Mensch an ihrer Seite

Weitere Kostenlose Bücher