Bottini, Oliver - Louise Boni 01
Dumpfe Knacklaute, die entstanden, wenn Schnee zusammengepresst wurde.
Schritte.
Der Mönch machte hektische Handbewegungen, die besagten, dass sie langsam und leise gehen sollte.
Dann zeigte er auf den Boden. Sie sollte sich auf dem schneefreien Streifen halten. Sie nickte.
Sie gingen an der Erdwand entlang, die nach fünf, sechs Metern niedriger wurde, weil sich der Hang steil absenkte. Dort, wo die Schräge in den ebenen Waldboden mündete, blieb der Mönch stehen. Mit den Händen erklärte er Louise, dass sie nach links auf den Schnee, aber rückwärts gehen würden. Sie musste lächeln. Was für eine Idee. Er riss die Augenbrauen nach oben – okay? Sie nickte erneut.
Bevor sie sich umdrehte, um ihm rückwärts zu folgen, suchte sie die Baumreihen vor sich mit den Augen ab. Das Knacken der Schritte näherte sich. Aber noch immer sah sie niemanden. Wer kam dort? Hollerer und Niksch? Die hätten ihren Namen gerufen, schon allein deshalb, weil sie wussten, dass sie bewaffnet war. Die Reporter, von denen Hollerer gesprochen hatte? Möglich, aber wenig wahrscheinlich.
Ponzelt und ein Mob aus Liebau?
Kaum.
Hinter ihr erklang ein lautloses Zischen. Der Mönch bedeutete ihr, sich endlich in Bewegung zu setzen. Vorsichtig tat sie einen Schritt nach hinten, dann einen weiteren. Mit beiden Händen umklammerte sie die rechte Anoraktasche, damit das leere Fläschchen Jägermeister nicht gegen den Hausschlüssel klirrte.
Nach etwa zwei Dutzend Schritten trat sie wieder auf weichen, schneefreien Waldboden und wandte sich um. Vor ihr türmten sich von Moos und Erde überzogene Felsen auf.
Der Mönch war verschwunden.
Zorn und Panik stiegen in ihr hoch. Schließlich überwog der Zorn. Stumm in sich hineinfluchend, lief sie ein paar Meter an den Felsen entlang. Es sah aus, als hätte ein launischer Gott die Gesteinsbrocken wie Würfel in der riesigen Hand geschüttelt und planlos fallen gelassen.
Plötzlich hörte sie hinter sich wieder das Zischen.
Sie fuhr herum. Auf zwei Metern Höhe bewegte sich der fast kahle Schädel des Mönchs inmitten der Fels-blöcke. Eine Hand winkte sie herauf.
Leise eilte sie zurück und stieg in den Würfelhau-fen hinein. Als sie den Mönch beinahe erreicht hatte, blickte sie in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Unwillkürlich duckte sie sich gegen die Felsen.
Etwa einhundert Meter entfernt bewegten sich vor den dem Wind zugewandten weißen Seiten der Baumstämme mehrere dunkle Schemen. Sie hielt den Atem an und schloss die Augen.
Als sie sie wieder öffnete, waren die Schemen verschwunden.
Jägermeistervisionen, dachte sie erleichtert.
Da tauchten die Schemen wieder auf. Sie zählte drei. Sie blinzelte. Vier. Oder doch drei? Noch immer wollte sie nicht recht glauben, dass es sich tatsächlich um Menschen handelte. Menschen, die womöglich hinter dem Mönch her waren. Drei oder vier Calamberts, vielleicht bewaffnet, vielleicht mit der Absicht, ihn zu töten. Einen Menschen, der ähnlich wehrlos war wie Annetta. Der zusammengefaltet wie ein Blatt Papier in einem Kofferraum enden würde, wenn sie es nicht verhinderte.
Plötzlich hörte sie dicht neben ihrem Ohr eine Stimme. Erstaunt sah sie den Mönch an. «Was?», fragte sie halblaut.
« No », flüsterte er. « No .» Hektisch schüttelte er den Kopf.
Erst jetzt bemerkte sie, dass er ihre Arme umklammert hielt. Dass sie sich halb aufgerichtet hatte, als wollte sie im nächsten Moment loslaufen. Und dass sie Hollerers Pistole in der rechten Hand hatte.
Sie schloss die Augen und ließ sich von dem Mönch hinabziehen.
Hinter dem Felsbrocken war es dunkel und nicht ganz so kalt. Der Hohlraum hätte gerade Platz für drei, vier Menschen geboten. Zusammengekauert warteten sie, die Arme um die Knie geschlungen.
Manchmal berührten sich ihre Schultern leicht. Louise nahm eine angenehme Wärme wahr, die von dem Mönch auszugehen schien. Sie sah nichts, hörte nichts, bis auf die tiefen Atemzüge des Mönchs und den Sekundenzeiger ihrer Armbanduhr. Waren die Gestalten verschwunden? Stiegen sie die Felsen hoch?
Sie konzentrierte sich mit geschlossenen Augen.
Von draußen drang kein Laut an ihr Ohr.
Je mehr Sekunden vertickten, desto unnatürlicher kam ihr die Stille vor, künstlich erzeugt, wie in einem schallgedämpften Raum.
Micks Schlagzeug hatte in einem schallgedämpften Raum gestanden. Annetta hatte vier Tage in einem schallgedämpften Raum gelegen. Einem Raum mit einem großen eckigen Sichtfenster. Das ist das
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