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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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Dann kam der Kosovokrieg, der nächste Krieg gegen die Muslime, doch der alte Jinnah sagte immer noch Nein. Dann, 1999, kam Musharraf, und alles wurde anders. Ein Netzwerk entstand, der junge Jinnah und seine Aktivisten in Belutschistan, Shahida und Jamal in Islamabad, Halid Trumic in Bosnien, Busche, Söllien und Mahr in Deutschland. Es dauerte noch eine Weile, dann kamen die ersten Waffen aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Baden, auf welchen Wegen wusste Mahr nicht. Für die Verkäufer, die Transporteure und die Wege waren Trumic und Busche zuständig, er, Mahr, hielt die Kommunikation mit Islamabad und Belutschistan. Die Waffen gingen nach Pakistan, die bewaffneten Jinnah begannen, Politik zu machen, eine muslimische Opposition gegen Musharraf zu schmieden, sie verlangten demokratische Wahlen, den Rücktritt Musharrafs als Armeechef, wenn er schon Präsident bleiben würde …
    Dann kam der elfte September, danach Afghanistan, dann kamen die Amerikaner nach Belutschistan, und Musharraf zog innenpolitisch die Schrauben an. Alles Muslimische, alles Islamische stand nun dem Freund Amerika zuliebe unter dem Generalverdacht der Nähe zu Al-Qaida. »Deshalb muss es jetzt weitergehen«, sagte Mahr erregt, »sie brauchen mehr Waffen, jetzt heißt es Demokratie und Freiheit oder Diktatur und Unterdrückung, verstehen Sie?«
    Sie überlegte, ob sie Mahr von Marcel erzählen sollte. Der dieselben Wörter benutzte, der dasselbe Ziel hatte, dieselben Methoden benutzte, nur einen anderen Weg ging. Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit, hatte Marcel gesagt. Wenn wir das bekommen wollen, brauchen wir Musharraf.
    Sie schüttelte den Kopf.

    »Nein, Sie verstehen es nicht«, sagte Mahr.
    Sie schwieg. Sie stellte sich diesen großen, krummen Mann inmitten kleinwüchsiger Pakistaner vor, sah ihn ungelenk über einen Basar laufen, sah ihn schlaksig, und von Begeisterung erfüllt, auf einem Pferd in der Wüste sitzen, vollkommen groteske Bilder, ein einziges groteskes Missverständnis.
    Und Aziza? Hätte sie da mitgemacht? Waffen, ein Attentat auf Musharraf, ein Bürgerkrieg? Hätte auch für sie der neue Traum von Demokratie und Freiheit so ausgesehen? Voller Gewalt und Blut?
    Sie stellte die Frage. Mahr wandte sich wortlos ab. Die Frage aller Fragen. Die Antwort, dachte sie, war klar. In seinen Träumen kam Aziza zu ihm und sagte, was um Himmels willen tust du da, du Mörder, und Mahr sagte, aber ich tu das doch für dich, für unsere Vision, du wirst sehen, es ist richtig! Nein, sagte Aziza in seinen Träumen, du bist ein Mörder, du bist nicht besser als die, die du bekämpfst, und Mahr sagte, aber nein, sprich nicht so, bitte sprich nicht so.
    Louise hatte Recht gehabt. Aziza war das Bindeglied, die Schlüsselfigur. Der Anfang und das Ende.
    »Das hätten wir dann also auch geklärt«, sagte sie und stieg aus.

    Sie schloss die Tür, schloss die Augen. Für einen Moment Ruhe, Stille, Dunkelheit.
    Dann trat sie zu Thomas Ilic, der die Lippen zusammenpresste, ratlos den Kopf schüttelte. Du hättest von Heuweiler aus heimfahren sollen, Illi, dachte sie, jetzt bist du hier, und ich brauche dich, verdammt. »Kannst du ein paar Minuten auf ihn aufpassen?«
    Er nickte.
    »Die Kollegen müssen jeden Moment kommen, dann fährst du heim.«
    »Es tut mir Leid. Ich bin … Ich kann mich nicht konzentrieren.«
    »Ich weiß.« Sie legte ihm die Hand auf die Wange.
    »Ich hätte gleich heimfahren sollen.«
    Sie nickte, dachte, was mach ich bloß mit dir, Illi, ich brauch dich doch, was klappt ihr mir alle weg in diesem Scheißsommer, Günter, Almenbroich, jetzt du, und Rolf will was werden, das er nicht werden will, und Löbinger buckelt und giftet, und von Terroristen und Terroristenjägern im Breisgau wollen beide nichts wissen, Herrgott, was ist bloß los mit euch.
    »Jetzt bist du hier.« Sie tätschelte ihm die kalte Wange, dachte, dass sie die Hände in diesen Tagen überdurchschnittlich oft an kalte Kollegenwangen legte, dachte plötzlich an Richard Landens warme Hände auf ihren Brüsten, lächelte, was man so für Gedanken hat morgens um vier, wenn grad alles den Bach runtergeht.

    Adam Baudy saß an einem Tisch, schraubte und machte an einer Schatulle aus dunklem Holz herum, fuhr zusammen, als sie die Tür aufstieß. »Verdammt«, sagte er.
    Sie trat ein. »Ich muss mit Ihnen reden.«
    Wortlos wandte er sich wieder der Schatulle zu.
    Sie ging durch die Tischlerei zu ihm, atmete den Geruch des Holzes ein, andere Gerüche, je näher sie

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