Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
schüttelte vorsichtig den Kopf, schwieg.
»Stecken wir ihn in die Wanne«, sagte Adam Baudy.
»Nein, bitte, das bringt nichts«, murmelte Paul Feul.
Sie reichte ihm ihre Visitenkarte, für alle Fälle. Sah Baudy an und sagte: »Kümmern Sie sich um ihn.«
Baudy begleitete sie zur Straße. Die Verstärkung war da. Hinter Thomas Ilic’ Dienstauto stand ein Streifenwagen, am Kotflügel lehnte eine Polizistin, die schüchterne Susie Wegener, mit der sie irgendwann in diesen dunklen, heißen Tagen geheult und gelacht hatte, auf dem Weg von Oberried nach Freiburg.
Auch sie gehörte zu den Jungen.
Susie lächelte, Louise lächelte gefasst zurück. »Kommt noch jemand?«
»Also, vielleicht später.«
Ihr Blick fiel auf Thomas Ilic, der wieder in seinem Wagen saß.
Sie atmete ein, atmete aus. Ein Kripokollege, den der Schock eingeholt hatte, eine kaum zwanzigjährige Polizeimeisterin, deren zwei grüne Schultersterne in den Falten ihrer Jacke verschwanden, eine übermüdete Hauptkommissarin, die in vier Tagen und vier Nächten kaum mehr als insgesamt zehn Stunden geschlafen hatte.
»Was macht ihr jetzt?«, fragte Baudy. »Fahrt ihr hin?«
»Ja.«
Sie gaben sich die Hand.
»Wenn Sie wollen, hol ich die Kameraden. Zehn, zwölf Männer bekomme ich zusammen.«
Sie lehnte ab. Noch mehr von den Jungen, dazu unbewaffnete, obwohl sie vermutlich mit den Feuerwehrbeilen kommen würden. Ein Dutzend Freiwillige mit Beilen gegen die Terroristen und die Terroristenjäger, die es im Breisgau nicht gab.
»Überlegen Sie es sich.«
»Nein. Aber danke für das Angebot.«
Baudy nickte.
»Und Sie?«
Er zuckte die Achseln, deutete dann mit dem Kopf auf die Tischlerei. Sie nickte. Noch ein bisschen arbeiten. Auf die Nachtgespenster und die Toten warten.
Sie saßen im Streifenwagen, um sich zu besprechen, Louise und Susie Wegener vorn, Thomas Ilic hinten, ein leuchtend weißes Gesicht im Schein der Straßenlaterne. Louise sprach, Thomas Ilic sagte Ja und Nein und Ja, Susie Wegener nickte, dann war das weitere Vorgehen abgeklärt. Sie konnten Mahr nicht ins Große Tal mitnehmen, sagte sie, viel zu gefährlich, wegen Shahida und Jamal, sie mussten ihn in die Direktion bringen.
»Ja«, sagte Thomas Ilic.
Susie Wegener nickte.
»Gut, dann …«
»Warte.« Thomas Ilic rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn, sammelte noch einmal alle Kräfte, fasste noch einmal zusammen, Shahida und Jamal, die untergetaucht waren, vermutlich von Marcels Leuten verfolgt wurden, vielleicht auch schon gekidnappt worden waren, dann bringt er sie ins Große Tal, sagst du, dort hat Paul Feul im Juni zwei Amerikaner gesehen, die haben da vielleicht gezeltet, du glaubst, da irgendwo haben oder hatten Marcels Leute ihr Lager, ja? Im Großen Tal.
Sie nickte.
Die Fingerspitzen hatten rote Streifen auf seiner weißen Stirn hinterlassen und rieben weiter. Sie wollte nach seinen Händen greifen, tat es nicht. Aber warum glaubte sie, dass die drei Pakistaner aus Karatschi nach Ramstein oder Spangdahlem gebracht wurden, fragte Thomas Ilic, und das Ehepaar aus Islamabad ins Große Tal, falls Marcel sie tatsächlich ebenfalls entführt hatte?
»In Emmendingen hatte er einen Vorsprung, jetzt hat er keinen mehr. Er muss durch sämtliche Fahndungsringe, durch sämtliche Absperrungen. Bleibt, wenn er das nicht riskieren will, das Große Tal.«
Und tausend andere Täler, dachte sie, tausend andere Verstecke.
Doch eine bessere Spur hatten sie nicht. Sie konnten nach Marcel fahnden, sie konnten sich ins Große Tal setzen und warten, mehr ging nicht.
»Nein, mehr geht nicht«, sagte Thomas Ilic und nahm endlich die Hände von der Stirn.
»Und es ist doch auch gar nicht so unwahrscheinlich.« Lisbeth Walter hatte Marcels Leute nachts im Wald südlich von Oberried gesehen, Paul Feul zwei Männer abends im Wald über dem Großen Tal. Zeugenaussagen wie andere auch. Spuren wie andere auch. Sie waren nachts unterwegs, zogen sich vor Tagesanbruch in die Wälder zurück, schliefen tagsüber. Warum nicht?
»Ja, warum nicht«, sagte Thomas Ilic.
»Wir nehmen deinen Wagen, Illi, du bringst Mahr mit dem Streifenwagen in die Direktion, los geht’s.«
»Warte, warte, ich?«, sagte Thomas Ilic, und sie sah in seinem Gesicht einen Sturm heraufziehen, und dann brach der Sturm auch schon los, und wenn da tatsächlich jemand ist, rief er gequält, wenn Marcel und seine Leute tatsächlich da sind und das Ehepaar aus Islamabad dazu, und ich bin nicht bei dir, wie willst du
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