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Bottini, Oliver - Louise Bonì 02

Titel: Bottini, Oliver - Louise Bonì 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Im Sommer der Mörder
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Baudy kam, Zigaretten, Bier, Kneipengerüche, die in Baudys Kleidung hingen.
    Sie setzte sich neben ihn auf die Bank. Er beugte sich über die Schatulle, fuhr prüfend mit dem Finger an einer Kante entlang, unendlich langsam, als hätte er alle Zeit und Ruhe der Welt, und vielleicht war das auch so, dachte sie, morgens um vier.
    Er streifte sie mit dem Blick. »Was ist passiert?«
    »Die amerikanischen Studenten im Großen Tal.«
    Er nickte. »Paul hat sie gesehen. Paul Feul.«
    »Sie nicht?«
    »Nein.«
    Nicht das, dachte sie. Nicht wieder losfahren, wieder mit jemand anderem sprechen, sich wieder auf jemand anderen einstellen, nicht wieder alles von vorn.
    Sie legte eine Hand auf Baudys Schulter, das musste jetzt sein, fest halten an Adam Baudy, der zu einem harmlosen Brand ausgerückt und in ein Inferno geraten war und sich trotzdem alle Zeit und Ruhe der Welt ausbedingte.
    Er blickte sie an. »Sie sehen so müde aus.«
    »Ist grad alles ein bisschen viel.«
    Er sagte nichts.
    Sie nahm die Hand fort. »Wo wohnt Paul Feul?«
    »Er ist hier.«
    »Bei Ihnen?«
    »Seit dem Feuer schläft er hier. Wenn er schläft. Er schläft nicht viel, er war mit Gubby am ersten Rohr.«
    »Ja, ich weiß. Steht in Ihrem Bericht.«
    Er nickte.
    »Und Sie? Sitzen um vier Uhr morgens in der Werkstatt.«
    »Da hat man Ruhe. Kein Telefon, keine Kunden. Nur manchmal ein müdes Nachtgespenst.« Er lächelte.
    Und die Toten, dachte sie.
    »Soll ich ihn holen?«
    »Geben Sie mir eine Minute. Ich brauch eine Pause.«
    Baudy wandte sich der Schatulle zu, strich mit den flachen Händen darüber, öffnete sie, schloss sie. Nahm einen Schraubenzieher, schraubte am Scharnier, strich mit dem Daumen Holzstaub weg. Sie legte die Hand auf seine Schulter, dort gehörte sie, fand sie, in diesen merkwürdigen Momenten nun mal hin.
    So saßen sie da, schweigend und versunken, Baudy in seine Arbeit, sie in die Bedächtigkeit seiner Bewegungen.

    Paul Feul kam in Jeans und blauem T-Shirt, beides verknittert, als hätte er darin geschlafen. Seine Augen waren zugeschwollene Schlitze, er roch nach Zigarettenrauch und Kneipe, nach Bier und Erbrochenem. Baudy reichte ihm ein Glas Wasser, er trank, schenkte sich nach, trank. Sah sie schweigend, trostlos, misstrauisch an.
    »Die Amerikaner im Großen Tal, Paul«, sagte Baudy.
    Paul Feul nickte.
    »Erzähl’s ihr.«
    »Hab im Großen Tal zwei Amerikaner gesehen.«
    »Und?«, sagte Baudy.
    »Was denn und?«, nuschelte Paul Feul.
    »Sie haben gesagt, es waren Studenten. Warum Studenten?«
    »Ach so.« Vorsichtiges Nicken, angestrengtes Nachdenken.
    Während sie wartete, dachte sie an Niksch, der in Paul Feuls Alter gestorben war. Anfang Zwanzig, und schon war das Leben in all seiner Grausamkeit über sie hergefallen. Den einen hatte es getötet, dem anderen hatte es den Kameraden verbrannt.
    »Weil einer von denen ein T-Shirt anhatte, da stand Universität drauf«, sagte Paul Feul. »Also, University.«
    »Stand da noch was drauf?«
    »Virginia. Of Virginia.«
    »Paul«, sagte Adam Baudy sanft.
    »Entschuldigung. Mein Kopf.« Paul Feul presste die Hände an die Schläfen.
    »Der Kater«, sagte Louise und lächelte falsch. »Wir stecken Sie am besten in eine Wanne mit kaltem Wasser.«
    »Nein, nein, bitte.«
    »Doch, doch, das machen wir«, sagte Adam Baudy.
    Paul Feul stieß auf, runzelte die Stirn, nuschelte, zwei Amerikaner, Studenten, einer mit University-of-Virginia-TShirt, irgendwo im Großen Tal, nein, nicht irgendwo … warten Sie … die waren in der Nähe vom Parkplatz, am Bach, nicht am Reichenbach, sondern an dem, der vom Rappeneck runterkommt. Und wann war das noch mal, also, vor ein paar Wochen, er war mit den Brüdern und dem Vater unterwegs gewesen, manchmal wanderten sie zusammen, zuletzt Ende Juni oder so, und da hatte er die Amerikaner gesehen.
    »Haben die anderen sie auch gesehen?«
    »Nein, nur ich, ich musste pinkeln, da hab ich sie gesehen.«
    »Was haben die gemacht?«
    »Im Bach gestanden.«
    »Paul«, sagte Adam Baudy.
    »Entschuldigung. Also, die haben sich gewaschen … wie man sich wäscht, wenn man zeltet und dann aufsteht, nur dass es abends war, nicht morgens.«
    »Und haben sie was gesagt?«
    »Ich glaub, einer hat › fucking warm ‹gesagt. Der andere hat
    › yeah ‹gesagt.« Er zuckte die Achseln. Was Amerikaner eben sagten? »Dann war ich fertig mit Pinkeln.«
    »Haben Sie noch was gesehen? Außer dem T-Shirt und den beiden Männern? Was gehört?«
    Paul Feul dachte nach,

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