Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
mittlerweile aus Japan zurückgekehrt? War Richard Landen zu ihr geflogen?
Abschied nehmen oder anrufen, dachte sie. Entscheide dich.
Sie griff nach dem Fön. Heute nicht.
Der Gebrauchtwagenhändler war noch da, der Polo auch, aber mit der Inzahlungnahme des Renaults gab es ganz offensichtlich Probleme. Schweigend wanderte der Händler um den roten Mégane mit der blauen Motorhaube und der blauen Fahrertür.
Zwei-, dreimal stieg er ein, untersuchte Lenkrad und Armaturen, fuhr mit dem Finger über das Einschussloch neben dem Zigarettenanzünder. »Das Radio ist ganz neu«, sagte Louise.
Der Händler, ein kleiner, dicker Pole in Sandalen, nickte und stieg aus. Die nächsten fünf Minuten verbrachte er über dem Motorraum. Als er die Haube vorsichtig schloss, nickte er noch immer. Er trat zu ihr, ließ den Schlüsselbund in Zeitlupe um einen Finger gleiten und sagte: »Sieht aus wie ein Renault Mégane.«
»Es ist ein Renault Mégane.«
»Da drinnen nicht.« Er deutete auf die Motorhaube.
»Ach nein?«
»Nein. Da drinnen hat jemand gebastelt.«
»Der Schwager eines französischen Polizisten. Ein Fachmann.«
»Der Schwager mag japanische und polnische Autos.«
»Er wollte von allem das Beste.«
»Er wollte das Billigste.« Der Händler lächelte melancholisch.
Er bot ihr zweihundertfünfzig Euro zum Ausschlachten. Louise blickte zwischen dem zweifarbigen Mégane und dem weißen Polo hin und her. Zweihundertfünfzig Euro für ein Auto, das ihr das Leben gerettet hatte. Das, wenn sie es sich recht überlegte, eigentlich perfekt zu ihr passte – bunt, verbeult, mit einem reichlich heterogenen Innenleben, mit Patina. Ein Auto, das vielleicht irgendwann einfach stehen bleiben würde, weil es keine Lust mehr hatte – ganz wie sie.
»Den Schlüssel, bitte«, sagte sie und hob die Hand.
Über die Berliner Allee fuhr sie in die Innenstadt zurück. Als die Gebäude der Landespolizeidirektion in Sicht kamen, fiel ihr Wilhelm Brenner ein, der ihr eine Frage stellen wollte und es nicht tat. Sie wählte seine Nummer, aber es war besetzt. Sie bog nach Osten ab, fuhr Richtung Bahnhof, das Licht der tiefstehenden Sonne im Rückspiegel. Sie musste mit Riedinger sprechen, sie musste mit Adam Baudy sprechen, mit Günter, mit Richard Landen, heute Nacht mit Anatol. Brenner stand auf der Liste, Täschle, Bermann, Almenbroich, weiter unten ihr Vater.
Die Männer hatten sich, nach den Monaten im Kloster, in ihr Leben zurückgedrängt. Ob sie das gut fand oder schlecht oder einfach nur normal, wusste sie nicht. Aber es ließ die Einladung von Lisbeth Walter in einem anderen Licht erscheinen.
Sie parkte in Bahnhofsnähe, ging zu Ennis Sushi-Imbiss, doch Enni war nicht da. »Später«, sagte der alte Japaner hinter dem Tresen, »kommen später.« Sie bestellte, aß am einzigen freien Stehtisch, während sie die Unterlagen von Alfons Hoffmann und Elly durchsah. Die Anmerkungen der KTU, die Gesprächsprotokolle, die Zeugenaussagen hatte sie bereits gelesen. Allzu viel Neues war nicht hinzugekommen, weil die Kollegen noch unterwegs waren. Auch die Informationen zu Rottweil 1992, die Elly vom LKA besorgt hatte, kannte sie mittlerweile. Einem Artikel aus den Stuttgarter Nachrichten vom 28. August 1992 entnahm sie – und das hatte sie noch nicht gewusst –, dass damals offenbar nicht nur kroatische, sondern auch bosnisch-muslimische Gruppen in die Waffengeschäfte in Baden-Württemberg verstrickt gewesen waren.
Neu waren außerdem die Namen der Beteiligten. Auf mehreren Seiten hatte das LKA die Verdächtigen, die Beschuldigten, die Verurteilten sowie deren Anwälte und zahlreiche Zeugen aufgeführt. Auch hier einige arabisch klingende Namen von Menschen aus Bosnien-Herzegowina.
Sie dachte an die beiden Männer im Wald. Kroaten oder Bosnier? Oder vielleicht Serben? Sie hatte keine Ahnung.
Zavodi Crvena Zastava, der Betrieb, aus dem die Waffen stammten, hatte seine Zentrale in Belgrad und ein Zweigwerk in Kragujevac – in Serbien also. Aber das musste nichts besagen.
Sie überlegte, ob sie irgendeinen Kroaten, Bosnier oder Serben kannte. Sie hätte gern eine Vorstellung von einer Physiognomie gehabt. Doch ihr fiel keiner ein.
Eine Bewegung ließ sie aufsehen. Der alte Japaner stand neben ihr. Er hielt sich eine Hand ans Ohr, simulierte ein Telefonat.
»Enni noch später«, sagte er. »Kommen noch später.«
Sie nickte. »Danke.«
Sie blätterte weiter, stieß auf Kopien von Artikeln aus der Süddeutschen Zeitung, dem
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