Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Sie blieb ungreifbar. Vor Jahren war das Gerücht umgegangen, sie sei lesbisch. Bermann hatte getobt und bis hinunter zum Pförtner mit Dienstbeschwerden gedroht. Seitdem war Ruhe. Und seitdem hing Anne Wallmer in unverbrüchlicher Treue an Bermann. Dass er sie nur geschützt hatte, weil er sich vor Homosexualität ekelte, war ihr vermutlich nie in den Sinn gekommen. Wie auch, im Fitnessraum wurde über anderes gesprochen.
»Schließt mich nicht aus«, bat Louise.
Anne Wallmer seufzte unruhig. Dann erzählte sie. Ja, sie waren bei Riedinger gewesen, sie selbst, Peter Burg, Bermann, Löbinger, ein paar Bereitschaftspolizisten und Marianne Andrele, die Staatsanwältin aus München. Sie hatten den Hof oberflächlich durchsucht, Riedinger zwei Stunden lang befragt, keine befriedigenden Antworten bekommen, dafür beinahe Prügel. Bermann und Burg glaubten, dass Riedinger irgendwie mit drinhing, vielleicht den Keller zur Verfügung gestellt hatte.
Löbinger und Anne Wallmer waren da nicht sicher. Marianne Andrele hielt sich alle Optionen offen. Einig waren sie sich darin, dass Riedinger für seine Mitmenschen gefährlich werden konnte und sie ihn deshalb im Auge behalten mussten. Andrele arbeitete daran.
»Woran?«, unterbrach Louise.
»An einem Fall Riedinger.«
Louise nickte. Marianne Andrele brauchte nicht viel Zeit zum Eingewöhnen. »Habt ihr noch was rausgefunden?«
Sie hörte Anne Wallmer trinken, schlucken, verhalten aufstoßen. »Entschuldige. Ja, haben wir.« Sie sprach jetzt schneller. Berthold Meiering, der Bürgermeister, hatte seine Beamten in die Kirchzartener Archive geschickt, und sie hatten ein paar Daten zu Riedingers Schuppen und dem Keller darunter ausgegraben. Beide waren während des Zweiten Weltkriegs gebaut worden. Damals hatte auf der Weide ein Wohnhaus gestanden, der Schuppen hatte als Brennholzlager gedient, der Keller als privater Schutzkeller. Beim Luftangriff der Briten im November 1944 war das Haus zerstört worden, der Schuppen ein paar Meter weiter nicht, die Bewohner hatten im Schutzkeller überlebt. 1950 hatte Peter Riedinger, der Vater, die Weide gekauft.
Anne Wallmer senkte die Stimme noch ein wenig mehr. »Rolf kommt.«
»Warte, Anne. Irgendwelche Kroaten, Bosnier oder Serben?«
»Bis jetzt nicht.« Lauter sagte Anne Wallmer: »Was macht der Arm?«
»Wisst ihr, was mit Riedingers Familie passiert ist? Was mit den Kindern und seiner Frau ist?«
»Haben wir nicht gefragt. Soll ich dich morgen früh in die PD
mitnehmen?«
»Nein, lass nur. Danke, Anne.«
»Hallo, Rolf«, sagte Anne Wallmer.
»Gib sie mir«, hörte Louise Bermann sagen.
Sie beendete die Verbindung, wartete einen Moment. Als Berman nicht anrief, legte sie das Handy in die Freisprechschale und ließ den Motor an. Sie wussten nun einiges mehr, das Wichtigste aber noch nicht: Welche Verbindung bestand zwischen Riedinger und den Leuten, die seinen Keller als Waffenlager genutzt hatten?
Das war die entscheidende Frage.
Sie ordnete sich in den Verkehr ein, bog nach Osten ab. Im Tunnel der B 31 fiel ihr ein, dass sie doch einen Bosnier kannte.
Zlatan Bajramovic, Mittelfeldspieler des SC Freiburg. Aber sie kannte nur den Namen, nicht das Gesicht.
Das Kirchzartener Becken lag im weichen roten Licht des Abends. Die Schwarzwaldkuppen schienen zu glühen, aus dem Talgrund krochen die ersten Schatten. Sie nahm die Landstraße Richtung Kirchzarten, fand eine Schotterstraße nach Osten, fuhr auf zwei Gebäude zu, die von Bäumen zum Ort und zur Bundesstraße abgeschirmt wurden. Mittlerweile wusste sie, dass die Felder rechts und links der Schotterstraße vor Jahren zu Riedingers Hof gehört hatten, genauso wie weitere Felder und Weiden an den Hängen oberhalb von Kirchzarten. Riedinger hatte in den Neunzigern fast den gesamten Grund veräußert, den Viehbestand von über einhundert Kühen auf zehn, von über dreihundert Hühnern auf ein Dutzend verringert, sämtliche Schweine abgegeben, die Angestellten entlassen, die Wirtschaftsgebäude abgerissen. Die beiden Söhne und die Tochter waren in den Achtzigern nach England ins Internat gegangen und nicht zurückgekommen, die Frau nach Norddeutschland gezogen. Auf dem einstmals großen Hof lebten nur noch ein Mann und ein Hund.
Auch hier viele Fragen. Was war in dieser Familie geschehen?
Warum hatte Hannes Riedinger den einstmals florierenden Betrieb aufgegeben? Warum hatte er ausgerechnet die Weide nicht verkauft?
Dann hatte sie den Hof erreicht, rollte langsam auf
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