Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
drehen Sie sich beim nächsten Mal rechtzeitig um.«
»Sind Sie endlich fertig?«, knurrte Bermann.
»Nein.«
»Sie stören.«
»Quatsch«, sagte Louise.
Der Rettungswagen stand, wie die Autos der anderen Einsatzkräfte, auf einem Parkplatz am Ortseingang von Sankt Wilhelm. Die Fahndung nach den beiden Osteuropäern »und weiteren verdächtigen Personen« war angelaufen. Mitglieder der Ermittlungsgruppe, eine Hundestaffel, eine Helikopterbesatzung aus Stuttgart und ein Zug Bereitschaftspolizisten durchsuchten die Region südlich der verriegelten Hütte nach Spuren, weiteren Hinweisen – und einem weiteren Depot. Aus irgendeinem Grund mussten die beiden Männer schließlich im Wald gesessen haben.
Wie die EG »Waffen« auf sie gestoßen war, bemühten sich Bermann und Löbinger ganz offensichtlich zu verdrängen. Eine Zeugin, die eigen war, höllische Legionen aus einem vermutlich uralten Buch, eine Hauptkommissarin, die trotzdem im Wald auf die Suche ging …
Louise lächelte müde.
»Hast du Schmerzen?«, fragte Löbinger.
»Natürlich hat sie Schmerzen«, sagte Bermann.
Die Ärztin sah sie an. Louise schüttelte den Kopf.
Unvermittelt fragte sie sich, ob die Ärztin vielleicht Buddhistin war. War Buddha nicht irgendwo in Indien oder zumindest in der Nähe von Indien geboren worden? Aber lebten in Indien überhaupt Buddhisten? Oder lebten dort nur Hindus und Sikhs?
Die Ärztin gab ihr einen Klaps auf den Arm und verließ den Rettungswagen.
»Also«, sagte Bermann. »Rottweil 1992.«
Sie setzte sich auf, zog die Decke zurecht.
»Bleib doch liegen, Luis.«
»Erzähl schon.«
Bermann berichtete, Löbinger schwieg.
Im Mai 1992 war das LKA etwa vierzig Kroaten aus dem Raum Rottweil/Tuttlingen auf die Spur gekommen, die, so die Anschuldigungen, an einem Waffenhandel beziehungsweise Waffenschmuggel beteiligt gewesen waren. Der Hauptbeschuldigte hatte illegal Waffen erstanden und an Landsleute in Baden-Württemberg verkauft. Einige der Käufer brachten die Waffen im Auto nach Kroatien, offenbar mit Wissen kroatischer Behörden, wie Empfangsbestätigungen belegten. Die EG und später auch die UNO hatten 1991 ein Waffenembargo über die Balkanländer verhängt, entsprechend schlecht gerüstet waren die kroatischen Soldaten zu Beginn des Krieges. Das war offenbar der Hintergrund der Waffenkäufe gewesen. Vierzehn der vierzig Personen waren angeklagt, vier zu Bewährungsstrafen, fünf zu Geldstrafen verurteilt worden.
Im Oktober 1992 hatten die Kollegen weitere Emigranten vom Balkan festgenommen. Sie hatten versucht, Uran 235 und sowjetische Panzer zu verkaufen.
Louise erinnerte sich vage. Sie hatte den Bericht des LKA gesehen, außerdem einen Zeitungsartikel und, in der Direktion, Videoaufnahmen der Fernsehberichte von SDR und SWR Wie viele Waffen damals beschlagnahmt worden waren, wusste sie allerdings nicht mehr. Bermann nannte die Zahlen – vier Kalaschnikows, drei Maschinenpistolen, fünfundzwanzig Pistolen, fünfunddreißig Handgranaten.
»Ganz schöner Unterschied«, sagte Louise.
»Wenn die Kollegen damals alles gefunden haben.«
Löbinger lächelte. »Kaum. Die Kroaten waren viel zu clever, und die Zollkontrollen waren lax. Und wir wissen, dass die Exiljugoslawen in Baden-Württemberg hunderte Millionen Dollar gesammelt haben …«
»Das wissen wir?«, fragte Bermann säuerlich.
Löbinger ging nicht darauf ein. »Natürlich gab es mehr Waffen, als die Kollegen gefunden haben. Die hatten schließlich Krieg daheim.«
» Ich wusste das nicht«, sagte Bermann.
»Bei der nächsten Besprechung erfährst du es.«
Die Frage war: Hing Rottweil 1992 mit Kirchzarten 2003
zusammen? Louise wusste, dass der Jugoslawienkrieg trotz und wegen des Embargos ein Goldenes Zeitalter für seriösere und unseriösere Waffenhändler gewesen war. Viele waren reich geworden, Schmuggler wie Waffenhändler, auch deutsche.
Bermann hatte am Vormittag recherchiert und weitere Zahlen im Kopf. Dem Spiegel zufolge waren aus den GUS-Ländern und aus Deutschland die meisten Waffen an die Kriegsparteien geliefert worden. Etwa die Hälfte aller Waffenlieferungen nach Kroatien war aus Deutschland gekommen. Waffen im Wert von geschätzten dreihundertzwanzig Millionen Dollar.
Doch der Jugoslawienkrieg war vorbei.
Waren sie auf der falschen Fährte? Hatten die Waffen aus dem Depot unter Riedingers Schuppen nichts mit dem Krieg oder dem Balkan zu tun? Trotz der beiden Osteuropäer, trotz der Herkunft aus altjugoslawischer
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