Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
werden sollten.
Er wusste, dass das Fahndungsdezernat der Freiburger Kripo die PADE-Vorstandsmitglieder beobachtete, darunter Abdul Rashid.
Und das war das Problem.
Falls Rashid oder einer der anderen Verdacht schöpfte, würden die Pakistaner vielleicht nicht kommen. Und der Informant des BND würde vielleicht sterben. »Ziehen Sie Ihre Leute ab. Nur bis morgen Vormittag. Dann haben wir mit ihm gesprochen und ihn in Sicherheit gebracht. Dann können Sie PADE
hochnehmen.«
» Keiner wird Verdacht schöpfen.«
»Das Risiko ist zu groß.«
Sie spürte den Korkenzieher in der Hosentasche, zog ihn heraus. Der Mann lächelte flüchtig. »Keiner wird Verdacht schöpfen«, wiederholte sie. Er sagte nichts, und sie ließ ihn nachdenken. Über Zusammenarbeit, Kooperation, Unterstützung. Du gibst mir was, ich geb dir was. Früher oder später würde er ihr ein Angebot machen müssen, falls er es wirklich ernst meinte.
Ihr Blick glitt über Wohnzimmer, Küchenzeile, Diele. Dass sie in ihre Wohnung eingedrungen waren, an ihrem Bett gestanden hatten, hatte etwas fundamental verändert. Hatte sie verletzbar gemacht und verletzt. Auf irgendeine Weise war die Wohnung ein Ort in ihr gewesen, waren die Männer in sie eingedrungen.
Ihre Schatten würden in ihr bleiben. Sie würde lernen müssen, mit ihnen zu leben.
»Ich brauche einen Namen.«
»Was?«
»Ich brauche einen Namen für Sie.«
»Sie sind ein komplizierter Mensch, Frau Bonì.«
»Kommen Sie, irgendein Name, das ist doch nicht so schwer.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Kein Name.«
»Ohne Namen geht es nicht.« Sie lächelte.
»Also schön – Marcel. Damit wir endlich vorankommen.«
»Mein Nachbar heißt Marcel.«
»Ich weiß.«
Sie nickte enttäuscht. »Und jetzt das Ganze von vorn.«
Sie begann mit den Waffen. Ja, Marcel und sein »Team«
wussten schon seit längerem von den beiden Depots. Ja, die Waffen waren für die Jinnah bestimmt gewesen. Nein, wer das Depot auf Riedingers Weide gesprengt hatte, wussten sie nicht.
Ja, sie hatten eine Vermutung – Rivalitäten unter islamischen Fundamentalisten. Die Jinnah, die irakischen Schiiten, die Al-Qaida. Man mochte sich nicht. Man wollte nicht zusehen, wie der andere zu mächtig wurde. Hin und wieder bekämpfte oder sabotierte man sich. Noch.
Marcel brach ab. Das »Noch« hallte in ihrem Kopf nach.
Zusammen mit der Stimme, die sagte, der Kerl spinnt doch.
Er schien ihre Skepsis zu bemerken. »Die Welt hat sich vor zwei Jahren verändert, Frau Bonì. Auch Ihre Welt. Ihre Stadt, Ihre Arbeit. Sie sehen es, und Sie spüren es, jeden Tag. An all den kleinen und großen Dingen, die jetzt anders sind. Den Sicherheitsvorkehrungen, den Medienberichten, den Diskussionen, den Terrorwarnungen des BKA.
An Ihrer Haltung arabisch aussehenden Menschen gegenüber.«
Er schwieg für einen Moment. Louise sagte nichts.
»Plötzlich spielen Menschen aus einer anderen Kultur mit einer anderen Religion und einer anderen Vorstellung von Zivilisation eine grundlegende Rolle für Ihr Leben. Für Ihre Zukunft. Ihre kleine, scheinbar so heile Welt hat sich verändert, Frau Bonì.«
»Ich weiß, ich weiß, die Verteidigung Deutschlands beginnt am Hindukusch.«
»Und hier, in Ihrer Wohnung.«
»War ein Scherz.«
»Ein Scherz über den elften September?«
Sie seufzte und stand auf. »Kaffee?«
»Nein, danke.«
Den Korkenzieher in der Hand, ging sie zur Küchenzeile. Sie hatte gewusst, dass er den Kaffee ablehnen würde. Er würde nichts trinken, nichts berühren, keinerlei Spuren hinterlassen.
Sie stellte die Kaffeemaschine an, dachte, keine Bestätigung, kein Ausweis, kein Anruf, dafür, in einer der Küchenschubladen, ein Walkman mit Aufnahmefunktion.
Das Licht, das durch die Vorhänge in die Wohnung drang, war gelb. Die Luft wurde stickiger, immer heißer. Ein fremder Geruch lag darin, den sie nicht identifizieren konnte. Sie hatte sich wieder gesetzt, blies auf den Kaffee, den sie nicht trinken würde, weil es viel zu heiß war für Kaffee. Sie schwitzte unaufhörlich. T-Shirt und Hose klebten an ihrer Haut, von ihren Achseln liefen Tropfen zum Hosenbund. Auf Marcels Hemd hatten sich dunkle Schweißflecken gebildet, sein Gesicht glänzte. »Ernst Martin Söllien«, sagte sie und hoffte, dass ihre Stimmen laut genug waren für den Walkman in der Schublade.
»Ein Erfüllungsgehilfe von PADE. Skrupellos, geldgierig, tot.«
»Hannes Riedinger.«
»Wusste von nichts.«
Sie nickte. Sie dachte an das
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