Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
Korkenzieher – gelobt sei das Bonì’sche Chaos.
Sie unterdrückte den hysterischen Drang zu lachen, steckte den Korkenzieher in die Hosentasche. Ruhig, dachte sie und atmete tief ein. Im Winter hatte sie die Invasion ihres Vaters überlebt, und was gab es Schlimmeres als einen Vater, der die benutzte Unterwäsche der Tochter vom Boden klaubte, wusch und zum Trocknen aufhängte?
Fremde, die an ihrem Bett standen, während sie schlief.
Sie waren zu zweit. Ein Mann im Wohnzimmer links, ein Mann in der Diele rechts. Den im Wohnzimmer konnte sie gut sehen, der in der Diele stand im Halbschatten. »Keine Angst, Frau Bonì«, sagte der Mann im Wohnzimmer. Der Mann, der angerufen hatte. Beruhigend hob er die gespreizten Finger. Er trug weiße Handschuhe, eine Waffe sah sie nicht. Trotzdem kroch ihr kalte Angst über den Körper. Sie hatten die Fenster geschlossen, die Vorhänge zugezogen.
Sie wandte sich dem anderen zu. »Ich will, dass Sie ins Wohnzimmer gehen, ich will, dass Sie aus meiner Wohnung verschwinden, verflucht, ich will Sie sehen! «Sie streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus.
» Don’t do that « , flüsterte der Mann.
»Er wird gehen, Frau Bonì«, sagte der Mann im Wohnzimmer.
Sie sah ihn an. Er nickte dem Mann in der Diele zu, einen Moment später klickte die Wohnungstür ins Schloss. Sie rief sich ins Gedächtnis, was sie von dem Mann rechts gesehen hatte. Schmal, nicht größer als einssiebzig, Jeans, dunkles, vielleicht braunes Sakko. Kleiner Kopf, kurze dunkle Haare.
Weiße Handschuhe. Das » Don’t do that «hatte amerikanisch geklungen.
»Sie rühren sich nicht von der Stelle«, sagte sie zu dem Mann im Wohnzimmer.
»In Ordnung.«
Sie ließ den Blick über die Küchenzeile vor sich gleiten, trat zur Badezimmertür rechts, stieß sie auf. Niemand. Die Angst ließ nach, die Wut wuchs. Sie waren in ihrer Wohnung.
Ruhig, dachte sie. Er will nur reden.
Also reden wir. »Sind Sie bewaffnet?«
»Ja«, sagte der Mann.
»Haben Sie meine Waffe genommen?«
Er nickte.
»Auf den Tisch damit. Das Handy auch.«
Der Mann griff in die Sakkotasche, legte Telefon und Pistole auf den Couchtisch, trat zurück. Sie ging zum Tisch. Telefon und Pistole waren leichter als sonst. Kein Akku, keine Patronen.
»Später«, sagte der Mann.
Sie nickte.
Sie setzte sich auf einen der beiden Sessel, musterte ihn.
Schmal, einsachtzig, in ihrem Alter, Jeans, blaues Hemd, schwarzes Sakko. Halblange, gewellte hellbraune Haare. Das Gesicht hager, düster, ernst, der Blick durchdringend. Er wirkte wachsam. Sie sah und hörte ihn nicht atmen, seine Bewegungen waren präzise und lautlos. Einer jener Männer, die es nicht gab.
Die in einer anderen Welt lebten. Vielleicht in Lisbeth Walters Welt.
Nun waren sie in ihre Wohnung gekommen.
Was sie noch nicht begriff: Weshalb offenbarte er ihr sein Gesicht?
Die Angst kehrte zurück. Reden, Frau Bonì, nur reden. Sie glaubte ihm. Vielleicht, weil sie spürte, dass sie sich aus dem Wald südlich von Oberried kannten.
»Ich nehme an, wir sind irgendwie Kollegen?«
Er nickte. »Bundesnachrichtendienst.«
»Abteilung?«
»Fünf.«
Operative Aufklärung und Auswertung. Organisierte Kriminalität, Waffenhandel, Proliferation. Terroristenjäger. Sie nickte bedächtig. »Ich brauche eine Bestätigung.«
Keine Bestätigung. Kein Ausweis, kein Anruf beim BND. Sie würde dort nichts erfahren, von niemandem, weil so gut wie niemand etwas wusste. Das Team existierte nicht, er existierte nicht. Seine Stimme war dunkel, leise, fest. Er sprach langsam und mit einem Ernst, der sie erneut frösteln ließ.
»Und Ihr amerikanischer Freund?«
Er schüttelte den Kopf.
»Haben Sie wenigstens einen Namen?«
»Keine Namen.«
Sie seufzte. »Also, reden wir.«
»Fünf Reisende aus Belutschistan«, sagte der Mann. »Einer von ihnen ist für mich, für Sie, für unser Land von größter Bedeutung. Wenn wir erfahren, was er weiß, werden wir Terroranschläge in Europa und im Mittleren Osten verhindern.
Wenn wir es nicht erfahren, werden unschuldige Menschen sterben.«
»Wird er es Ihnen freiwillig mitteilen?«
»Ja.«
»Was ist mit den übrigen vier?«
»Gehören zur anderen Seite.«
»Islamisten?«
»Auch. Vor allem Terroristen.«
»Kommen sie nach Freiburg?«
»Ja.«
»Und warum? Wegen PADE?«
Der Mann nickte. »Man plant weitere Geschäfte.« Er fuhr fort.
Er wusste, wann die beiden pakistanischen Gruppen in Frankfurt eintrafen, dass sie dort von der Kripo observiert
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