Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
nickte und malte mit dem Zeigefinger »90« in die Luft. Louise nickte ebenfalls. »Und wie geht es morgen weiter?«
Marcel würde sie gegen zehn anrufen und ihr einen Treffpunkt nennen. Kommen Sie allein, und kommen Sie mit dem Auto, Sie kriegen kiloweise Material, alles, was Sie brauchen, um PADE
hochgehen zu lassen, wir haben Ihnen viel Arbeit abgenommen.
Er lachte spöttisch, Kollegen unter sich.
»Ich brauche eine Telefonnummer«, sagte Louise.
»Sie wissen, dass das nicht geht.«
Bermann schrieb wieder etwas auf einen Notizzettel, hielt ihn ihr hin. Soll dich gegen 22.00 Uhr anrufen.
»Rufen Sie mich heute Abend gegen zehn an.«
»Warum?«
Sie sah Bermann an, improvisierte. Damit sie ihm erzählen konnte, wie es bei Bo und seinen Freunden gewesen war. Damit sie besprechen konnten, ob alles zur beiderseitigen Zufriedenheit lief. Konnte ja sein, dass sie Gesprächsbedarf hatten. Die Kripo und der BND, das klappte nicht immer einwandfrei. Marcel lachte sanft. Er lachte oft bei diesem Telefonat. »Okay«, sagte er.
Bermann nickte.
»Okay«, sagte Louise.
Rasch klärten sie, was erledigt werden musste, bevor in zwanzig Minuten die Einsatzbesprechung beginnen würde. Bermann und Almenbroich gaben sich betont sachlich, Löbinger, der mittlerweile zurückgekehrt war, gab sich betont kameradschaftlich.
Louise wechselte Blicke mit Thomas Ilic. Das Team zerfiel.
Der Kern zerfiel.
Almenbroich würde sich mit Stuttgart beraten und seine BND-Kontakte aktivieren, Bermann die Frankfurter Kollegen informieren und mit der Telekom reden. Löbinger würde seine Leute vom D 23 zusammenholen, Thomas Ilic die Leute vom D
11, Louise die Begegnung mit Marcel und dem Amerikaner protokollieren. Löbinger ging, einer der Techniker kam, um das Aufnahmegerät zu holen. Mit Hilfe von Sprecherdiagnostik und Stimmenanalyse würden sie Marcel ein wenig auf den Leib rücken – psychologisches und soziologisches Verhalten, sprachliche Auffälligkeiten, dialektale Einfärbungen, das musste schon sein. Er hatte Hochdeutsch gesprochen, aber das mochte antrainiert sein. Er hatte Kirch zartengesagt.
»Lassen Sie die Tür bitte geöffnet«, sagte Almenbroich.
»Ob’s hilft?«, fragte der Techniker.
»Für heute Nacht ist Regen angekündigt«, sagte Thomas Ilic.
»Warmer Regen«, sagte der Techniker und ging.
Thomas Ilic wollte ihm folgen, Louise hielt ihn zurück. Die Mails aus Islamabad – irgendwas Besonderes dabei? Er schüttelte den Kopf. Pakistanische Namen, Orte, Gesichter. Fünf eingescannte Visaanträge samt Deklarationen. Informationen zu Pakistan, Belutschistan, den Jinnah. Lag alles ausgedruckt in seinem Büro auf dem Schreibtisch, der Stapel mit dem Post-it
»Louise«. Sie war gerührt. Ein Stapel »Louise«. Das hatte es in zehn Jahren Kripo nicht gegeben. Nicht einmal zu Zeiten Reiner Lederles, der legendäre Stapel gebaut hatte.
»Übrigens«, sagte Thomas Ilic. Der Emmendingener, der eingeladen hatte, war ein pakistanischer Student.
Sein Blick blieb auf ihr liegen. Der Halbkroate, die Halbfranzösin, auch jetzt schienen sie dieselben Gedanken zu haben: Das Ehepaar aus Islamabad nach Freiburg zu Rashid, die drei Männer aus Karatschi nach Emmendingen – und kein Kripobeamter sah zu.
Nachdem Thomas Ilic den Raum verlassen hatte, erhob Almenbroich sich mit einiger Mühe. »Wir sprechen später noch mal, Rolf. Ich möchte nicht, dass da etwas zurückbleibt.«
Bermann hob die Augenbrauen, sagte nichts.
Almenbroich ging um den Schreibtisch. Louise wollte ihn stützen, aber er wies sie wortlos zurück. An der Tür wandte er sich zu Bermann um. »Die Dinge entgleiten mir. Ich verliere den Überblick, ich bin zu müde und zu erschöpft, um mich zu konzentrieren. Wenn ich mich bis morgen nicht erholt habe, übernimmst du.«
Bermann nickte, Almenbroich nickte. Dann ging er.
Sie schloss die Tür hinter ihm und wandte sich Bermann zu. Er war blass, seine Miene ausdruckslos. »Was?«, sagte er.
Kein guter Moment, um mit ihm geheime Abmachungen zu treffen.
Trotzdem. »Was der BND alles weiß.«
Seine Brauen hoben sich.
»Marcel kennt das Haus, die Leute, weiß, wo sie schlafen. Er weiß, was sie getan haben, was sie planen. Er weiß über die Waffenlieferungen Bescheid, über die Händler, über die Mittelsmänner.«
Bermann lehnte sich gegen die Schreibtischkante und bedeutete ihr fortzufahren.
»Er beobachtet, fotografiert, hört Gespräche und Telefone ab, lässt die Leute tun, was sie tun wollen. Er
Weitere Kostenlose Bücher