Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
sieht zu, während sie Verbrechen begehen, und greift weder ein, noch informiert er uns.«
»Jetzt hat er uns informiert.«
»Weil wir seine Operation gefährden.«
»Eine wichtige Operation mit einem wichtigen Informanten.«
»Ich dachte, du bist dagegen, dass wir uns zurückziehen.«
»Und du bist dafür.« Er zuckte die Achseln. »Was willst du von mir, Luis?«
»Ich will, dass … Rolf, ich heiße Louise. Nicht Luis wie der Dobermann deines Vaters, okay? Kannst du dir das merken?
Sollen wir ein bisschen üben?«
Bermann unterdrückte ein Grinsen. »Das ist alles?«
»Ich will, dass wir jemanden in den Zug setzen.«
»In den Zug von Frankfurt nach Baden?«
Sie nickte. Sie würden jemanden allein und inoffiziell am Frankfurter Flughafen postieren. Jemanden, den Marcel und seine Leute garantiert nicht kannten und der ihnen garantiert nicht auffiel. Ein älterer Mann, eine ältere Frau. Vielleicht hatte so jemand beim Kriminalkommissariat Flughafen gerade Dienst.
Falls die drei Pakistaner aus Karatschi einen Zug nahmen, würde dieser Jemand mit ihnen einsteigen. Falls sie in Frankfurt blieben und auf das Ehepaar aus Islamabad warteten, würde auch er bleiben und warten. Auf diese Weise wüssten sie wenigstens, was sich in Frankfurt tat. Gäben die Kontrolle nicht vollständig aus der Hand. Niemand musste etwas erfahren –
nicht Almenbroich, nicht Löbinger. Niemand aus Freiburg oder, vor allem, Stuttgart.
Bermann atmete geräuschvoll ein und aus und nickte dann.
In ihrem Büro warteten die buddhistischen Kindermönche und mit ihnen der andere Bruder. Die Mönche lachten, der Bruder lachte nicht. Sie hatte ihn nicht sehr geschwisterlich behandelt, dachte sie, dabei konnte er nichts dafür, dass er der falsche Germain war, dass der richtige Germain seit vielen Jahren fort war. Jetzt ist er wieder da, Chérie, sagte ihr Vater in der Stille, der Hitze, der Müdigkeit. Sie wusste nicht, was in Bezug auf den anderen Bruder schlimmer war – das, was sie tat, oder das, was ihr Vater tat. Plötzlich hatte sie das Bedürfnis, Richard Landen von ihren Brüdern zu erzählen, den richtigen, den falschen, denen, die da waren, denen, die fort waren. Ein Besorgnis erregendes Zeichen, in jeder Hinsicht.
Sie griff nach dem Diktiergerät. Sie würde dem Diktiergerät von ihren Brüdern erzählen.
Anschließend protokollierte sie die Ereignisse in ihrer Wohnung, dann zog sie den Stapel »Louise« heran. Thomas Ilic hatte Recht gehabt. Wenig Neues, abgesehen von den pakistanischen Gesichtern. Dunkle, verschlossene Gesichter, die sie nicht recht einschätzen konnte. Zwei der Männer hatten Schnauzbärte, einer einen Vollbart. Die Frau gefiel ihr. Sie mochte ein paar Jahre jünger sein als sie, wirkte stolz, kultiviert.
Die Männer aus Panjgur trugen traditionelle Kleidung, die Frau und der Mann aus Islamabad trugen westliche Kleidung.
Keiner sah auf den ersten Blick wie ein Terrorist aus.
Andererseits galt das wohl für viele Terroristen.
Man hätte, schrieb der Verbindungsbeamte, die Jinnah vor dem elften September im Westen vielleicht auch nicht
»Terroristen« genannt, sondern »Freiheitskämpfer«. Die CIA und Musharrafs Leute nannten sie »Terroristen«. Sie leisteten politischen Widerstand, waren in der großen muslimischen Opposition gegen Pervez Musharraf engagiert. Eine radikalere Gruppierung innerhalb des Stammes um einen Enkelsohn des Oberhauptes – den Mann mit dem Vollbart – verübte auch Anschläge gegen militärische Einrichtungen, Kasernen der Grenzschutztruppe Bambore Rifles, Polizeistationen, die Infrastruktur, Staatsbedienstete.
Und hatte angekündigt, Musharraf zu töten.
Ob Terroristen oder Freiheitskämpfer, dachte Louise, das sind Mörder.
Kein pakistanischer Ableger von Al-Qaida, schrieb der Verbindungsbeamte.
Aber Mörder.
Aber natürlich Verbrecher, schrieb der Verbindungsbeamte.
Er »plädiere« trotzdem dafür zu differenzieren. Komplexe politische Probleme erfasse man nicht, indem man pauschaliere.
Pakistan sei ein komplexes politisches Problem. Belutschistan sei ein komplexes politisches Problem. Um die sechzig Volksstämme, die meisten davon streng muslimisch und nach feudalen Machtstrukturen organisiert, dazu die Armee des im eigenen Land so umstrittenen Amerika-Freundes Musharraf, der amerikanische Geheimdienst, versprengte Taliban, Al-Qaida, die vielen afghanischen Flüchtlinge, die Nähe zum Iran – ganz zu schweigen von Armut, Dürre, Hungersnöten,
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