Bottini, Oliver - Louise Bonì 02
nicht so abriegeln, dass da keiner mehr durch kann.« Bermann wechselte einen Blick mit Pauling, dem Chef des MEK, einem großen grauhaarigen Mann.
Pauling nickte. »Es ist nur noch zwei Stunden hell.«
»Wenn überhaupt«, sagte der Kommandoführer. »Es soll bald regnen.«
Alle blickten für einen Moment aus dem Fenster, nur Hubert Vormweg nicht. Er sagte: »Wie groß ist das Kommando?«
»Zehn Mann. Mehr haben wir bis jetzt nicht erreicht«, erwiderte der Kommandoführer.
»Dazu kommen ein Dutzend Kripoleute, und aus Lahr ist ein Zug Bereitschaftspolizisten unterwegs«, sagte Löbinger beruhigend. Louise unterdrückte ein Schmunzeln.
Bereitschaftspolizisten waren, auch für Löbinger, »Bepos«.
Aber Hubert Vormweg verabscheute polizeiinterne Verstümmelungen. Da geht der Mensch verloren, pflegte er zu sagen. Anselm Löbinger wusste, worauf es ankam. Wenn er mit Vormweg sprach, ging kein Mensch verloren.
»Das sind genug, Hubert«, beruhigte Almenbroich.
»Ohne SEK haben wir keinen Präzisionsschützen«, sagte Vormweg.
Bermann verdrehte die Augen. Vormweg sah es nicht.
»Wir rechnen nicht damit, dass wir einen brauchen«, sagte Pauling.
»Aber sicher ist es nicht.«
»Sicher ist es natürlich nicht.«
»Sicher ist nur, dass es bald dunkel ist«, sagte Bermann.
Vormweg nickte. Aber er hatte weitere Fragen. Lagen schon Haftbefehle gegen »diesen Bo und Frau Söllien« vor? Marianne Andrele würde sich am Vormittag darum kümmern. Was wussten sie über Bo? Noch nichts. Interpol hatte nichts? Und die Behörden in Bosnien und Herzegowina? Die SFOR? Europol?
Diese EU-Polizei in Bosnien – wie hieß die noch mal?
»EUPM«, sagte Thomas Ilic.
»Vielleicht kommt ja noch was rein«, sagte Almenbroich.
Hubert Vormweg nickte wieder. »Also dann«, sagte er endlich.
17
SIE EILTEN zu DEN FAHRZEUGEN. Louise wollte bei Thomas Ilic einsteigen, aber Bermann ergriff ihren Arm und zog sie mit sich. In seinem Dienstwagen roch es nach Zigarettenrauch. Bermann verabscheute Raucher, doch er schien Ausnahmen zu machen. »Die Blondine von gestern Abend?«, fragte Louise.
Bermann sagte nichts.
Vor der Kreuzung zur Heinrich-von-Stephan-Straße reihten sie sich in der Mitte des Konvois aus zivilen Wagen ein. Vor ihnen stand ein Skoda, hinter ihnen hielt ein Renault. Das MEK legte Wert auf unauffällige Autos.
Zwei Streifenwagen setzten sich an die Spitze. Sie fuhren Richtung Norden. Mit Blaulicht und Martinshorn kamen sie rasch durch den Abendverkehr. »Hör zu«, sagte Bermann schließlich.
Der Frankfurter Kollege, der mit den drei Pakistanern in den Zug steigen würde, hieß Turetzki. Bermann hatte ihm seine und ihre Handynummer gegeben. Turetzki gehörte dem Kriminalkommissariat Flughafen an und machte jetzt offiziell Feierabend. Der Leiter des Kommissariats wusste Bescheid, sonst niemand. Außer ihm und ihr natürlich.
Und Almenbroich natürlich.
»Du hast …«
»Er ist der Chef«, raunzte Bermann. »Chefs informiert man.«
Sie runzelte die Stirn. Allmählich wurde es wieder einmal Zeit für offene Worte, fand sie. Stress hin, Stress her, lange würde sie Bermanns unerträgliche Laune nicht mehr hinnehmen. Von der Vertrauten zum notwendigen Übel – bei Rolf Bermann ging ihr das zu schnell.
Dann dachte sie daran, dass Almenbroich vielleicht mehr wusste, als er sagte. Daran, dass sie nur noch dem unerträglichen Rolf Bermann hundertprozentig vertraute und, seit ihrem Ausflug nach Offenburg und Kehl, Thomas Ilic.
Aber eben nicht mehr dem Chef.
Sie rasten mit hundertzwanzig über die B 3. Im Westen erhoben sich die Konturen der Vogesen messerscharf am Horizont. Im Osten, über dem Schwarzwald, lag das milde Abendlicht.
Plötzlich ging ihr der Gedanke durch den Kopf, dass sie die Vogesen kaum kannte, den Schwarzwald kaum kannte. Sie war nie auf dem Schauinsland gewesen, nie auf dem Feldberg. Sie war ein paarmal auf dem Schlossberg gewesen, weil irgendjemand mit ihr dort hatte hingehen wollen.
Irgendjemand, der nicht mehr wichtig war.
Sie wusste nicht, warum diese Gedanken gekommen waren.
Sie gefielen ihr nicht besonders. Sie besagten, dass mit ihrem Leben etwas Grundsätzliches nicht stimmte.
Dass sie in all den Jahren nichts aufgebaut hatte.
Keine Bindungen. Nicht einmal geographische.
Und sie warfen grundsätzliche Fragen auf. Welche Menschen, welche Orte bedeuteten ihr etwas? Bei wem und wo war sie daheim?
»Dann solltest du noch was wissen«, sagte Bermann.
Das BKA übernahm ab morgen. Der
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