Boy 7
Schulcomputer!«, rief ich dann.
Ich meine, wenn ich den des Verteidigungsministeriums oder der CIA geknackt hätte ...
»Wenn du dich nicht aufnehmen lässt, bestrafen sie dich noch härter.« Meine Mutter wirkte auf einmal viel kleiner als normal, als wäre sie – wie Kathys Pullover neulich – beim Waschen eingelaufen. »Dann wirst du verurteilt und landest vielleicht zwischen echten Verbrechern.«
»Dafür, dass ich ein paar Noten frisiert habe?«, fragte ich ungläubig.
»Sie haben deinen Computer untersucht.«
Ich versuchte, mich zu erinnern, welche Programme ich sonst noch so geknackt hatte. Die Spuren, die ich hinterlassen hatte. Ich fluchte innerlich.
»Sie sagen, ich sei keine gute Mutter«, fuhr sie leise fort. »Ich hätte keinen Überblick darüber, was du so alles in deinem Zimmer treibst. Sie haben mir sogar damit gedroht, Kathy in einem Heim unterzubringen, wenn ich nicht mitarbeite.«
»Diese Dreckskerle!«
»Ich will Kathy nicht auch noch verlieren.« Ihre Stimme klang flehend. »Und es ist ja nur vorübergehend, im Handumdrehen bist du wieder zu Hause.«
Ich saß in einem Geisterzug, der nonstop weiterraste. Abspringen war unmöglich.
»Kommst du mich wenigstens besuchen?«, würgte ich heraus.
»Bald vielleicht.« Sie wich meinem Blick aus. »Es ist besser für die Behandlung, wenn du anfangs keinen Kontakt zur Außenwelt hast, sagen sie.«
Demnächst hockte ich also ganz allein zwischen Kriminellen und würde nicht einmal mehr meine Mutter sehen! Ich presste ihre Hand. »Ich will nicht.«
»Ich habe schon unterschrieben, dass ich einverstanden bin.«
Ich wurde zu Eis. Sogar das Blut in meinen Adern gefror. Ich spürte nichts mehr, nur noch Kälte.
»Schätzchen.«
»Geh jetzt lieber«, hörte ich mich sagen.
»Aber ...«
Ich habe sie nicht mehr umarmt oder angesehen. Und das tut mir jetzt noch leid.
Es tut mir auch immer noch leid, dass ich nicht aus dem Auto von Jones geflüchtet bin. Dass ich nicht einmal darüber nachgedacht habe. Als er mich hierherbrachte, hätte ich wie ein Stuntman aus dem Wagen springen müssen. Oder, etwas schlauer: Auf Rot warten, und sobald das Auto anhält, die Tür aufreißen und machen, dass ich wegkomme. Aber in dem Moment war ich immer noch ein Eisberg und außerstande, mich zu bewegen, selbst wenn die Titanic gegen mich geprallt wäre.
Vollkommen gefühllos registrierten meine Augen, was durch die Frontscheibe auf mich zukam: Zentrum, Vorort, ein Richtungsschild mit dem Wort Branding, eine lange asphaltierte Straße zwischen gelben Grasflächen. Danach bogen wir rechts ab, jetzt war die Straße nicht mehr befestigt und schließlich sah ich in der Ferne ein großes graues Gebäude. Es war von einem furchterregend hohen Zaun umgeben, auf dem sich eine gemeine Rolle Stacheldraht befand, aber es waren vor allem die Schilder, die dazu führten, dass ich plötzlich kein Eisberg mehr war, sondern mir der Schweiß ausbrach.
Das große graue Gebäude! Und ich war freiwillig wieder dorthin gegangen. Wenn sie mich nun geschnappt hätten!
»Strahlungsgefahr?«, fragte ich Jones, denn das stand schließlich auf den Schildern.
Er winkte ab. »Soll unliebsame Zuschauer abschrecken.«
Was hatten sie zu verbergen? Ich musste an Guantánamo Bay denken. An Folterpraktiken. An Menschen, die ohne das Recht auf einen Prozess festgehalten wurden. Genau wie ich!
Nach dem dritten und letzten Warnschild erreichten wir ein Häuschen, in dem ein Pförtner mit einer Zeitung und einer Thermoskanne Kaffee saß. Mit einem Knopfdruck öffnete er den Schlagbaum, sodass wir auf das Gelände fahren konnten. Ein bewaffneter Wächter mit Hund schlenderte vorbei. Er tippte kurz an seine Kopfbedeckung und verschwand um die Ecke des Gebäudes.
Jones parkte vor dem Eingang. Sobald er den Motor ausgeschaltet hatte, kamen ein in Weiß gekleideter Mann und eine Frau heraus.
»Aussteigen«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Noch bevor ich die Tür zugeschlagen hatte, flankierten mich die Weißkittel wie Leibwächter. Beide trugen eine Alarmschnur um den Hals. Ich las den Text, der in roten Buchstaben auf ihre Brusttaschen gedruckt war: CooperationX.
CooperationX. Das also stand auf der Jacke des Mannes im Transporter.
Jones stieg wieder ins Auto und fuhr davon.
»Mitkommen«, sagte die Frau.
Es hatte keinen Sinn, mich zu wehren. Der Mann war zwei Köpfe größer als ich.
Über den hohen, gläsernen Eingang gelangten wir in eine Halle. An deren Ende war
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