Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
Vom Netzwerk:
Schade eigentlich!
    Es war ein Kinderspiel, sich Zugang zum Computersystem unserer Schule zu verschaffen. Meistens bin ich schon zufrieden, wenn ich ein System geknackt habe, aber diesmal konnte ich es nicht lassen, ein wenig herumzuschnüffeln. Ich sah mir ein paar Privatdaten der Lehrkräfte an – leider ohne die saftigen Einzelheiten, auf die ich hoffte – und landete schon bald im Beurteilungssystem. Auf einmal schien alles so einfach. Ich hatte morgens ein D für Geschichte bekommen. Wenn ich das in ein B veränderte, würde mein Durchschnitt zu einem Befriedigend aufgemöbelt. Ein einziges Mal, dachte ich, das kann doch nicht schaden. Das stimmte auch. Peters hatte nichts gemerkt, also habe ich, als ich eine Woche später ein F in Erdkunde bekam, das auch wieder in ein B verwandelt. Kein Hahn krähte danach. Beim dritten Mal habe ich mich ein wenig zu großzügig bedient und aus ein paar Ungenügend ein A für Ausgezeichnet gemacht – und da ging es schief. Ich wurde vor den Direktor zitiert, der mich nicht nur von der Schule warf, sondern auch die Polizei einschaltete. Ein großer Mann mit teebeuteldicken Wülsten unter den Augen holte mich ab. Er stellte sich als Jones vor.
    Jones! Am liebsten hätte ich lauthals »Pass auf!« gebrüllt wie das Publikum bei einer Kasperlevorstellung, wenn auf einmal der Wolf hinter Rotkäppchen auftaucht. Rotkäppchen – das kannte ich offensichtlich auch. Hatte ich vielleicht einmal Kasperletheater für Kathy gespielt?
    Sie steckten mich in eine Zelle, wo sie mich ohne weitere Erklärung stundenlang warten ließen. Jones hatte mir mein Handy abgenommen, sonst hätte ich mich wenigstens noch mit einem Spiel beschäftigen oder jemanden anrufen können. Meinen Rucksack mit meinen Schulsachen durfte ich nach einer gründlichen Inspektion jedoch behalten. Nur die Stifte – laut Jones mögliche Stichwaffen – nahmen sie aus meinem Mäppchen. Mit dem Rest war es nicht weit her: ein paar Schulbücher und Hefte, mein Taschenkalender, dieses nagelneue und noch unbenutzte Notizbuch, das mir Kathy zum Geburtstag geschenkt hat, ein Päckchen Kaugummi und ein Comic über Außerirdische. Ich versuchte zu lesen, aber ich war viel zu nervös und konnte mich nicht konzentrieren, also ließ ich es nach zwei Seiten wieder sein. Ich kaute Kaugummi um Kaugummi und klebte die ausgekauten Pfropfen trotzig an die Wand. Noch bevor das Päckchen geleert war, sank mein Widerstandsdrang gegen null. Allmählich befürchtete ich schon, sie würden mich die ganze Nacht in dieser Zelle sitzen lassen wollen, als meine Mutter hereinkam.
    Ich liebe meine Mutter und Kathy, aber wir sind nicht so eine Familie, die sich ständig herzt und aneinanderklebt. Seit meinem zehnten Lebensjahr geben wir uns nur noch an Geburtstagen einen Kuss. Beim letzten Mal, als ich meine Mutter umarmte, hatte das nichts mit Zuneigung zu tun – ich wollte nur testen, wie hoch ich sie heben konnte, weil ich in einer Fernsehsendung über Finnland einen Wettkampf im Frauentragen gesehen hatte.
    Aber eins kann man mir getrost abnehmen: Wenn einen die Mutter aus der Zelle holt, will man nichts lieber, als sie festhalten und nie mehr loslassen. Auch wenn man schon fünfzehn ist.
    Es war, als würde ich einem Pfosten mit Elektrozaun um den Hals fallen.
    »Wie konntest du nur?«, fragte sie.
    Die Tränen brannten hinter meinen Lidern. »Es tut mir leid.«
    »Das hättest du dir vorher überlegen sollen.« Sie setzte sich auf die Kante des schmalen Betts und hielt mir eine Predigt, bei der die meisten Fernsehpfarrer vor Neid erblasst wären.
    Ich lauschte mit hängenden Schultern und gelobte Besserung. »Gehen wir jetzt nach Hause?«
    Sie seufzte. »Schätzchen.«
    Dieses Wort benutzt sie immer, wenn sie etwas Unangenehmes zu verkünden hat. Zum Beispiel, dass ich auf Kathy aufpassen soll, obwohl ich mich mit Freunden fürs Kino verabredet habe.
    Ich machte mich auf etwas gefasst.
    Was diesmal aus ihrem zitternden Mund kam, war auch mit tausend »Schätzchen« nicht wiedergutzumachen. Sie sagte, ich müsse tapfer sein, es sei besser für mich, wenn ich Hilfe bekäme, damit ich an meinem Verhalten arbeiten könne. Dass ich ohne diese Hilfe vielleicht ein richtiger Krimineller würde und dass die Aufnahme in eine Einrichtung für Jungen mit denselben Problemen daher nach Ansicht all dieser netten Polizisten die vernünftigste Entscheidung sei.
    Ich verharrte einen Moment in einer Art Schockzustand.
    »Das war doch bloß ein

Weitere Kostenlose Bücher