Boy 7
glasbausteindicken Gläsern hin und her wie Goldfische in ihrem Glas – von mir zu den Weißkitteln und wieder zurück. Louis kicherte nur leise hinter vorgehaltener Hand.
»Diesen Namen will ich hier nicht mehr hören«, sagte der Weißkittel zu mir. »Du bist hier nur einer der Boys und wir sprechen dich mit Seven an.«
Sobald sie sich umdrehte, streckte Louis ihr die Zunge raus. Er erinnerte mich an meinen Freund Pete. Ich mochte ihn auf Anhieb.
»Das ist nicht sehr höflich, Six«, sagte einer der Langweiler-Jungs. In Gedanken nannte ich ihn Nase, denn er besaß ein ganz besonderes Exemplar, das die Form einer Abzugshaube hatte.
»Ja, pfui, Six«, sagte der Brillenschlumpf im selben Tonfall. Dann deponierte er mit herausforderndem Grinsen einen Klecks Kartoffelpüree auf Nases Riechorgan.
Der explodiert gleich, dachte ich. Aber nein ...
»Das ist nicht sehr höflich«, sagte dieser zum zweiten Mal.
Mann, der war ja wie ein Roboter aus Die Frauen von Stepford.
»Es reicht, ja?«, motzte der nächste Langweiler, ein athletisch gebauter Typ, Brillenschlumpf an. »Ein bisschen mehr Teamgeist, bitte.«
»Ich will überhaupt nicht mit dir in einem Team sein«, sagte Brillenschlumpf.
»Als Team kann man jedoch ganz andere Leistungen erbringen als allein.« Nase sah Brillenschlumpf an, als würde er ein Kompliment erwarten.
»Schleimscheißer.« Brillenschlumpf tat so, als müsste er kotzen.
Nases Mund öffnete sich schon. »Das ist nicht sehr ...«
»Höflich«, riefen Louis und Brillenschlumpf exakt zur gleichen Zeit und zu meinem Erstaunen konnte ich sogar lachen.
Nase und sein athletischer Langweilerfreund hatten weniger Sinn für Humor. Mit beleidigtem Gesicht aßen sie weiter.
»Musterknaben«, sagte Louis leise.
Der letzte und dickste Junge hatte die ganze Zeit noch kein Wort gesagt. Er hing halb über dem Tisch wie ein gestrandeter Wal und schaufelte den säuerlich stinkenden Kartoffelbrei in sich rein, als wäre es die köstlichste Pizza.
»He, Fettsack!« Brillenschlumpf sah sein Gegenüber voller Abscheu an. »Iss mal ein bisschen normal, ja, sonst verwechselt man dich noch mit einem Schwein.«
Der Fettsack richtete seine Gabel auf ihn und machte Schießgeräusche.
»Boy Four«, flüsterte Brillenschlumpf. »Er sitzt wegen eines bewaffneten Überfalls.«
Auf einen Süßigkeitenladen vermutlich. Oder eine Snackbar. Nicht, dass es wichtig gewesen wäre, die Vorstellung an sich reichte schon für eine Gänsehaut.
»Hier.« Der Weißkittel stellte mir einen Teller vor die Nase. Etwas Undefinierbares in einer Brühe – sollte wohl Fleisch darstellen –, eine grünliche Matsche und der stinkende Kartoffelbrei. Mir wurde schlecht von dem Geruch.
»Der Spinat schmeckt weniger schlecht, als er aussieht«, sagte der Athlet ermutigend.
Ich nahm zwei Bissen und würgte. »Keinen Appetit.«
»Dann gib her.« Boy Four ließ die Gabel fallen und grapschte mit seinen Wurstfingern nach meinem Teller.
»Ich korrigiere mich«, sagte Brillenschlumpf. »Du bist noch viel schlimmer als ein Schwein.«
»Aber Jungs.« Der Athlet schüttelte den Kopf. »Was soll denn Boy Seven von uns denken?!«
Oh ja, das war ich. »Und wer bist du?«
Nase wurde rot. »Entschuldige, wir haben uns noch nicht einmal ordentlich vorgestellt.«
»Boy Two.« Der Athlet streckte die Hand aus. »Angenehm.«
»Und ich bin Boy Three.« Nase lächelte mich so strahlend an, dass mir ganz übel wurde. Sie wirkten wie alte Leute, nicht wie normale Jungs.
»Four«, murmelte Four mit vollem Mund.
»Und du heißt dann sicher Boy One?«, fragte ich Brillenschlumpf.
Er hob fünf Finger.
»Boy Five?« Ich schaute mich in der Runde um. »Und wo ist dann One?«
»Es gibt keinen Boy One.« Louis schielte zu den Weißkitteln hinüber. »Schon seit ein paar Wochen nicht mehr.«
»Leider.« Five setzte seine Brille ab, putzte die Gläser mit einem Hemdzipfel und sagte mit der Stimme eines Begräbnisunternehmers: »Wir haben Abschied von ihm nehmen müssen. Der arme Junge ist vor Bravheit gestorben.«
»Du darfst nicht über den Tod spotten«, sagte Three. »Das ist nicht sehr höflich.«
»Wenn du noch ein einziges Mal ›höflich‹ sagst, garantiere ich für nichts mehr!«, rief Five. Er spielte dazu den angeketteten Wahnsinnigen nach dem Motto »Ich will Three ermorden, aber die Kette ist zu kurz«.
»Five macht öfter solche Scherze.« Two beugte sich vertraulich zu mir herüber. »Boy One ist entlassen worden. Und wenn wir unser
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