Boy Nobody: Ich bin dein Freund. Ich bin dein Mörder. (German Edition)
vorgehen soll.
Sam hat gesagt, dass sie ihrem Vater morgen bei irgendwas helfen muss.
Morgen. Mein letzter Tag.
Es muss irgendeinen Grund dafür geben, dass der Auftrag bis morgen erledigt sein muss.
Aber welchen? Und wie finde ich das heraus?
Es ist Freitagabend elf Uhr. Keine Chance, irgendwie in die Wohnung des Bürgermeisters zu kommen. Sam reagiert nicht auf meine Anrufe. Und ich kann auch nicht mit Vater über die Sache reden.
Ich stecke in einer Sackgasse.
Aber da kommt mir die rettende Idee.
Es gibt ja noch Howard.
»Ich brauch deine Hilfe, Howard.«
Ich stehe vor dem koreanischen Lebensmittelladen gleich unten an der Ecke. Ich habe mir zwei Wegwerfhandys besorgt. Mit dem einen rufe ich Howard an. Ich kann es nicht riskieren, mein iPhone zu benutzen. Das Programm könnte den Anruf lokalisieren.
Wenn Mutter wüsste, dass ich gegen die Regeln verstoße, indem ich mir bei einem Job Unterstützung hole …
Wahrscheinlich wäre dann nicht Sam das nächste Zielobjekt …
Was soll’s. Howard freut sich jedenfalls riesig über meinen Anruf.
Zehn Minuten später stehe ich in seinem Zimmer. Computerkabel schlängeln sich über den Boden. Lämpchen leuchten, Lüfter surren. Die Luft knistert, als wäre sie elektrisch aufgeladen. Es riecht nach Schweiß und muffigen Socken.
Howard hat nicht übertrieben, als er sagte, er wäre ein Hacker.
»Worum geht’s?«, fragt er.
»Ich muss dir was erzählen. Bitte hör mir genau zu, okay?«
Er macht ein ernstes Gesicht.
»Natürlich.«
Ich zögere. Soll ich’s wirklich tun? Ich habe mir bei diesem Job schon einige Freiheiten herausgenommen, aber das jetzt geht eindeutig zu weit.
Es ist ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften des Programms.
Wenn ich Howard einweihe, gibt es kein Zurück.
Ich hadere mit mir. Vielleicht gibt es ja doch noch irgendeine andere Möglichkeit, die ich übersehen habe?
Aber dann fällt mir Sam ein. Und dass mir die Zeit davonläuft.
»Heute in der Schule hast du gesagt, dass ich anders wäre als ihr«, sage ich. »Du hattest recht.«
»Wusste ich’s doch.«
»Ich hab einen ungewöhnlichen Job. Und der ist streng geheim.«
»Was für ein Job?«
Wie soll ich es ausdrücken?
»Ich bin Soldat.«
»Du bist in der Armee?«
»Nein, ich arbeite allein.«
»Eine Einmann-Armee. Cool. Ich bin dabei.«
Ich stelle mich dicht vor ihn.
»Wenn du mir hilfst, kann das sehr gefährlich für dich werden, Howard.«
»Was glaubst du, wie gefährlich es für mich ist, allein über den Schulhof zu gehen?«
Da ist was dran.
»Aber das hier ist gefährlicher. Alles, was du für mich tust, muss streng geheim bleiben. Kein Mensch darf davon erfahren. Auch Sam nicht oder Goji.«
»Klingt aufregend.« Er strahlt.
Ich muss an meine Anfangszeit im Programm denken. Der erste Schießunterricht. Das erste Kampfsporttraining.
Ich fand es aufregend.
Aber irgendwann wurde es ernst.
»Es stehen Menschenleben auf dem Spiel«, sage ich.
»Wen meinst du?«
»Sam zum Beispiel.«
Sein Lächeln erstarrt. Draußen fährt mit heulender Sirene ein Polizeiwagen vorbei.
»Was soll ich machen?«
»Ich muss wissen, was der Bürgermeister morgen vorhat.«
»Kein Problem.«
Das Sirenengeheul verklingt in der Ferne.
Howard schnappt sich ein Keyboard und fängt an zu tippen.
»Woher weißt du, wie du an die Daten rankommst?«, frage ich.
»Ich hab mich früher schon mal in die Datenbank vom Rathaus gehackt.«
Ich sehe ihn verblüfft an.
»Na ja, ich war ein bisschen in Sam verknallt. Aber das war, bevor ich Goji kennengelernt hab, ehrlich.«
»Ich glaub’s dir ja.«
Er tippt weiter.
»Ist doch nicht so einfach, wie ich dachte«, murmelt er.
»Wieso?«
»Auf den öffentlichen Seiten hab ich nichts gefunden. Dann bin ich in die interne Datenbank gegangen. Aber der Terminkalender ist noch mal extra passwortgeschützt.«
»Warum denn das?«
»Wart mal, muss ich erst knacken … Ah, das erklärt alles. Anscheinend kommt der israelische Premierminister zu Besuch. Er ist gerade in Washington, um über die neue Friedensinitiative zu sprechen. Und morgen kommt er hierher. Zu einem inoffiziellen Treffen mit dem Bürgermeister. Bisschen merkwürdig, oder?«
Allerdings. Zumindest für jeden, der nicht weiß, dass der Bürgermeister demnächst Sonderbotschafter in Israel wird. Oder jedenfalls ernsthaft darüber nachdenkt.
Aber das braucht Howard nicht zu wissen.
»Es sieht so aus, als wäre der Besuch ursprünglich für Sonntag geplant
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