Boys Dont Cry
einer Stunde geht’s los.«
»Schreib Josh und den anderen eine SMS, dass du es nicht schaffst.«
»Bist du bescheuert?«, fragte ich entgeistert. »Das ist vielleicht die letzte Gelegenheit, viele noch einmal zu sehen. Und es wird garantiert ein Superabend. Den lasse ich mir nicht entgehen, für nichts und niemanden.«
Ich warf einen Blick auf Emma, die inzwischen auf dem Teppich selbstvergessen mit den Bauernhoftieren spielte, die mein Dad ihr besorgt hatte.
»Und was ist mit Emma?«
»Was soll schon sein?«
»Willst du sie etwa allein hierlassen?« Adam war empört.
»Natürlich nicht. Du bist ja da. Kannst du für mich auf sie aufpassen?«
»Ich? Tut mir leid, aber ich treffe in der Bar Belle meine Freunde, in …« Adam warf einen Blick auf die Uhr und verkündete: »In vierzig Minuten! Ich muss mich fertig machen!« Damit sprang er auf die Füße.
»He, warte mal.« Ich musste ihn packen, denn er war fast schon aus der Tür. »Also schön, ich bezahle dich dafür.«
Adam schüttelte den Kopf. »Ich gehe aus. Schließlich bin nicht ich derjenige, der ein Kind hat und kein Leben.«
Ich riss mich gerade noch zusammen, sonst hätte ich ihm deutlich gesagt, wohin er sich scheren konnte.
»Adam, sie ist deine Nichte«, sagte ich. Ich wollte ihn nicht merken lassen, wie sehr mich seine Worte getroffen hatten.
»Sie ist deine Tochter«, betonte Adam. »Ich glaube, das spielt die größere Rolle.«
»Ach Mensch, sei doch nicht so. Deine Freunde kannst du doch immer treffen.« Ich war noch nicht bereit aufzugeben. »Aber unsere Feier markiert das Ende eines Lebensabschnitts, das ist eine einmalige Sache.«
»Dante, ich ändere meine Pläne nicht.«
»Nicht einmal für deine Nichte?«
Adam sah lächelnd zu Emma hinunter. »Netter Versuch. Bis später dann. Tschüss, Emma. Pass auf deinen Daddy auf.«
Und weg war er.
Aber wenn er oder Dad oder sonst jemand dachte, dass ich zu Hause bleiben würde, dann hatten sie sich geschnitten. Heute Abend würde ich nicht daheimbleiben, das kam gar nicht infrage.
Dann musste ich Emma eben mitnehmen.
20 DANTE
Als ich vor der Bar Belle stand, kamen mir dann doch Zweifel. Wir waren schon etliche Male in dieser Weinbar essen gewesen, wo eine nette, lebendige Atmosphäre herrschte, aber wenn ich recht überlegte, hatte ich dort noch nie kleine Kinder oder Babys gesehen. Emma schlief in ihrer Babytrage, das Gesicht seitlich an meiner Brust, doch wie lange würde das so bleiben, wenn ich reinging? Obwohl es erst halb acht war, war das Lokal schon mehr als zur Hälfte gefüllt, wie ich bei einem Blick durch das Fenster feststellte. Adam sah ich nicht, aber das war vielleicht ganz gut so. Hoffentlich würde er mich auch nicht entdecken. Nur kurz meine Freunde begrüßen, vielleicht einen Drink nehmen und dann wieder gehen … das klang nach einem Plan.
Nachdem ich mich noch einmal vergewissert hatte, dass Emma schlief, trat ich über die Schwelle. Sofort schlug mir eine Duftwolke aus säuerlichem Bier, süßem Wein, schwachem Parfüm und verschwitzten – gewaschenen und ungewaschenen – Achselhöhlen entgegen, dazu eine Geräuschkulisse aus Geplauder, Lachen und altmodischem Jazz-Gedudel. Gläser klirrten, irgendwo fiel eine Tür zu – jeder Laut tat mir in den Ohren weh. Das Problem war, dass man nur durch die laute Bar in den Restaurantbereich gelangte. Nervös warf ich einen Blick zu Emma. Zu dieser späten Stunde schlief sie tief und fest, aber wie lange noch?
»Dante! Wir sind hier drüben.« Collettes Stimme drang durch den allgemeinen Lärm zu mir.
Im Umdrehen sah ich, dass sie aufstand und mir zuwinkte. Josh, Logan und mindestens sieben oder acht andere bevölkerten bereits eine Ecke des Restaurants. Der lange Tisch, an dem sie saßen, bog sich vor Speisen und Getränken. Collette sah wie immer umwerfend aus. Sie trug ein blutrotes T-Shirt zu schwarzen Jeans. Ihre großen, braunen, mandelförmigen Augen leuchteten, als sie mich anlächelte. Die Zöpfe hatte sie zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und lange dünne Goldohrringe in Tropfenform hoben sich glitzernd von ihrer Haut ab. Mein Kumpel Josh saß neben ihr. Wie üblich waren seine hellbraunen Haare akkurat nach hinten gegelt. Er hielt seine Bierflasche fest, als wollte er sie nie wieder loslassen, und dem glasigen, seligen Ausdruck seiner blauen Augen nach zu schließen, war es nicht sein erstes.
Noch einmal blickte ich zu Emma hinunter. Wie sollte ich ihre Anwesenheit erklären? Auf einmal
Weitere Kostenlose Bücher