Boys Dont Cry
unserer Runde aus. Emma an meiner Brust begann sich zu rühren.
»Nun?«, hakte ich nach.
»Ist eben so.« Josh versuchte seine Bemerkung mit einem Schulterzucken abzutun. »Wie er immer an dir klebt und alle … anglotzt …«
Anglotzt …? »Was für ein verdammter …«
»Außerdem wollen wir nicht, dass du hier kleine Kinder anschleppst, Dante«, unterbrach mich Logan.
Ich blickte von ihm zu Josh und wieder zurück. Meinten sie irgendein kleines Kind im Allgemeinen oder meinen kleinen Bruder im Speziellen?
Warum fragte ich Josh nicht geradeheraus? Weil ich Angst vor der Antwort hatte?
Josh und ich waren Freunde, seit wir auf der weiterführenden Schule gelandet waren, ich mit zehn und er mit elf. Logan hatte erst mit sechzehn an unsere Schule gewechselt und sich aus irgendeinem Grund sofort an uns drangehängt. Und zu meiner Überraschung hatte Josh nichts dagegen unternommen. Seitdem gehörte Logan fest zu uns. Aber ein bisschen seltsam war es schon, dass weder er noch Josh jetzt meinem Blick standhalten konnten.
»Also, Josh, was geht hier vor?«, fragte ich.
Josh zuckte die Schultern. »Nichts. Komm schon, Dante. Du willst deinen Bruder doch genauso wenig hier haben wie ich.«
»Jetzt entspannt euch mal, Jungs. Ihr weckt noch das Baby auf«, sagte Collette.
So wie Emma sich an meiner Brust wand und zappelte, war es für diesen Hinweis bereits zu spät. Emma schlug die Augen auf, orientierte sich kurz, blickte zu mir hoch – und fing an zu schreien.
Verdammter Mist.
Ich streifte die Babytrage ab und versuchte Emma auf meinem Arm zu wiegen, aber auf einmal war mir die Musik zu laut und das Lachen zu rau und das Licht zu grell und vom Biergeruch wurde mir schlecht. Als ich zu Emma hinabblickte, hatte ich das Gefühl, als würde alles von außen ungefiltert in mich eindringen – so wie Emma vermutlich ihre Umwelt erlebte.
Und es war grauenvoll, wie das Quietschen, wenn man zwei Styroporstücke aneinanderreibt.
Ihre Babytasche hatte ich auch nicht dabei, also weder etwas zu essen für sie noch Windeln oder ein Buch, gar nichts. Mir kam die bittere Erkenntnis, wie unvorbereitet ich mich auf den Weg gemacht hatte.
»Ist schon gut, Emma. Ich bring dich nach Hause«, flüsterte ich ihr zu, als sie sich an mein T-Shirt klammerte. Ich hätte sie wirklich nicht hierher mitnehmen sollen. Was für eine idiotische Idee.
»Meine Güte, sie ist ganz schön hässlich, findet ihr nicht?«, bemerkte Logan lachend, als er sie weinen sah.
Das Blut stockte mir in den Adern, mein Herz hörte auf zu schlagen, meine Lungen stellten den Dienst ein – nur eine Sekunde lang. Doch das genügte. Ich betrachtete Emma, wie sie mit verknautschtem, verschlossenem Gesicht und zusammengekniffenen Augen ihr Elend herausschluchzte.
Adam hatte recht. Sie war … wunderschön.
Einfach wunderschön.
Ich stand auf, verfrachtete Emma wieder in die Babytrage und drehte ihr Köpfchen behutsam zur Seite, damit sie bequem an meinem Herzen ruhte. »Erstens, Logan, sieht niemand sonderlich gut aus, wenn er weint. Und zweitens – schreib dir das hinter die Ohren –, wenn du meine Tochter noch einmal hässlich nennst, schlag ich dir die Fresse ein.«
Betäubtes Schweigen.
Ich sah Logan ganz normal an. Um ihn wissen zu lassen, dass ich jede Silbe genau so meinte, wie ich sie gesagt hatte, war es nicht nötig, ihn zu fixieren oder böse anzufunkeln oder die Stimme zu heben. Wie der schon aussah … Er hatte ein Wieselgesicht und in seinem Blick lag immer etwas Hinterhältiges, Verschlagenes. Und ausgerechnet er wagte es, Emma hässlich zu nennen? Ich warf einen Blick in die Runde. Aller Augen ruhten auf mir.
Tja, jetzt war die Katze aus dem Sack. Nicht ganz das, was ich vor Augen hatte, als ich es zu meiner Zeit und auf meine Art hatte tun wollen.
»Deine Tochter?« Collette fand als Erste die Sprache wieder.
»Genau.«
»Deine Tochter?«, echote Josh.
Meine Freunde starrten mich an, als wäre ich soeben einem Raumschiff entstiegen. Dann fing Josh an zu lachen.
»Ha ha! Der war gut, Dan. Da hast du uns aber ganz schön reingelegt.«
Einige aus der Runde stimmten in sein Lachen ein. Die meisten allerdings nicht. Sie sahen mich erwartungsvoll an. Ein »Reingelegt!« meinerseits, und sie würden sich vor Lachen kugeln – oder wenigstens den Bauch halten. Ein Wort von mir und ich wäre aus dem Schneider. Emma wäre mein Geheimnis, ein Familiengeheimnis. Ein Geheimnis … Ich senkte den Blick zu Emma. Sie sah zu mir
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