Boys Dont Cry
dem Hochstuhl und schaukelte sie auf seinen Knien.
Und ich konnte bloß eines denken: Wenn ich das jetzt alles selber machen müsste? Die Schweinerei beseitigen, neuen Brei kochen, Emma beruhigen – alles ohne Hilfe und ganz allein? War es das, womit Melanie tagein, tagaus allein hatte fertig werden müssen?
»Schon gut, mein Schatz, schon gut«, beschwichtigte Adam die Kleine.
»Willst du sie mir geben?«, fragte Dad und breitete die Arme aus.
»Nein, geht schon. Jetzt habe ich sie«, sagte Adam.
Dad ließ widerstrebend die Arme sinken. Da war er wieder, dieser Stich in der Magengegend, wenn ich sie mir ansah, wie sie da alle in der Küche saßen. Langsam richtete ich mich auf. Die Hälfte der Brei-Schweinerei klebte noch am Boden, aber das war mir egal. Was dachten sich Dad und Adam eigentlich? Sie frühstückten, plauderten, taten, als wäre nichts geschehen. Ich war in einen Kaninchenbau gefallen.
»Warum tut ihr beide so?«, fragte ich.
»Wie denn?«
»So, als wäre sie normal.« Ich deutete auf Emma. »Als wäre es das Normalste auf der Welt, dass sie hier ist.«
»Dante …« Dad funkelte mich wütend an.
»Was denn?« Ich machte nicht einmal Anstalten, meine Bitterkeit zu verbergen. »Was denn? Man hat mir ein Baby untergejubelt, mein Leben wird im Klo runtergespült und ihr beiden macht einfach weiter, als wäre das keine große Sache. Danke, vielen Dank.«
»Da ist wohl jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden«, schnaubte Adam.
Ich tat einen Schritt auf ihn zu.
Dad stellte sich zwischen uns. »Dante, beruhige dich«, warnte er.
»Dad, das ist doch Schwachsinn. Ihr tut beide, als wäre alles in bester Ordnung.«
»Und was sollten wir deiner Meinung nach tun, Dante?«, fragte Dad ruhig. »Sollen wir rumbrüllen? Sachen zerdeppern? Die Türen eintreten? Oder was?«
»Sie gehört nicht hierher«, schrie ich.
»Dante, sie gehört zu dir«, sagte Dad leise.
Er hörte mir nicht zu, das tat er nie. Emma weinte immer noch. Ihre Unterlippe zitterte und sie sah mich verzagt an, als hätte sie Angst vor mir oder so was. Dieser Blick war es, der mich zur Besinnung brachte. Dad und ich vertrugen uns vielleicht nicht, wir hatten vielleicht Meinungsverschiedenheiten, aber so, wie sie mich jetzt ansah, hatte ich ihn nie angesehen. Ich schloss die Augen und holte tief Luft.
Als ich mich in der Lage fühlte zu sprechen, öffnete ich die Augen und sagte: »Keine Angst, Emma. Ich mache jetzt hier sauber und dein Opa macht dir neuen Brei. Einverstanden?«
Angesichts des veränderten Klangs meiner Stimme entspannte sie sich zusehends.
» Opa … daran werde ich mich erst einmal gewöhnen müssen«, sagte Dad. »Nur Kinder schaffen es, dass man sich dermaßen altersschwach fühlt.«
Die Wut in mir kühlte ab. Jetzt empfand ich nur noch einen leichten Hauch davon, eine säuerliche, beißende, ätzende Spur. Ich musste durchhalten. Höchstens noch ein paar Tage, dann hätte ich mein Leben wieder. Ein paar Tage noch, das konnte ich durchstehen.
Während ich den Rest der Schweinerei vom Boden wischte, verfolgte ich aus dem Augenwinkel immer wieder, was Dad machte. Wenn ich mir selbst Porridge zubereitete, erwärmte ich Haferflocken mit Milch und schüttete anschließend Sirup drüber. Die Babyversion war offenbar etwas komplizierter.
»Warum hast du Ziegenmilch gekauft?«, fragte ich, als mir der Karton in Dads Hand auffiel. »Das Zeug trinkt doch hier niemand.«
»Für Babys ist sie leichter verdaulich als Kuhmilch«, klärte Adam mich auf, bevor Dad den Mund öffnen konnte. Auf meinen erstaunten Blick hin sagte er: »Was ist? Ich habe das gestern Abend nachgelesen.«
»Warum?«, fragte ich.
»Für den Fall, dass dir ein Baum auf den Kopf fällt und ich für eine Weile einspringen muss«, erwiderte Adam ungerührt. »Du weißt, ich stelle mich immer auf das Schlimmste ein, um auf alles vorbereitet zu sein.«
Ich schüttelte den Kopf. »Mann, Adam, du bist vielleicht seltsam.« Die Katastrophenszenarios, die er sich ausmalte, waren nicht bloß übertrieben, sondern einfach vollkommen jenseits.
Zweiter Anlauf.
Dieses Mal gelang Emmas Frühstück besser. Nachdem ich die Temperatur geprüft hatte, fütterte ich sie, faden Löffel um faden Löffel. Ihr schien es trotzdem zu schmecken. Mit jedem Löffel, den sie zu sich nahm, rückte der vor mir liegende Tag drohend näher.
»Dad, wann kommst du wieder heim?«
Dad zuckte mit den Schultern. »Heute hat Louise ihren letzten Arbeitstag, wir gehen also
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