Boys Dont Cry
lächelte. Aber wir waren erst auf halbem Wege, als sich der Himmel vollends zuzog und ein prasselnder Regenguss einsetzte. In weniger als einer Minute waren wir beide vollkommen durchnässt. Innerlich fluchte ich vor mich hin. Ich war tatsächlich nass bis auf die Haut! Aber wenigstens Emma hatte ihren Spaß. Sie stapfte durch eine Pfütze und lachte sich schief. Sie fand es anscheinend so toll, dass sie meine Hand losließ und noch einmal hineinplatschte – und noch einmal, und sich dabei ausschüttete vor Lachen. Wer hätte gedacht, dass eine Pfütze derartig unterhaltsam sein konnte?
»Du bist eine richtige Wasserratte, was?«, grinste ich. Das war mir bisher gar nicht aufgefallen, obwohl Emma ihre abendlichen Bäder sehr genoss. Ich hatte geglaubt, das sei eben so bei Babys. Vielleicht konnte ich sie mal ins Schwimmbad mitnehmen? Bestimmt würde ihr das gefallen. »Komm, Emma, Zeit für den Heimweg«, sagte ich, hob sie hoch und setzte sie in den Buggy.
Sobald ich sie sicher verstaut hatte, schob ich sie so schnell wie möglich nach Hause. Als wir endlich drinnen waren, trocknete ich Emma ab und zog sie um. Eine Erkältung war das Letzte, was wir gebrauchen konnten. Ich wechselte mein T-Shirt und die feuchten Socken, dann gingen wir nach unten. Nachdem ich ihr einen Kuss auf den Kopf gedrückt und dafür gesorgt hatte, dass sie gefahrlos im Wohnzimmer spielen konnte, kümmerte ich mich in der Küche um die Wäsche. Allmählich wurde ich zum perfekten Hausmann, und das fand ich, ehrlich gesagt, ganz furchtbar. Aber wenigstens nahm es nicht meine gesamte Zeit in Anspruch, nur fünfundneunzig Prozent! Gerade stopfte ich ein paar von Emmas schmutzigen Klamotten in die Maschine, als es an der Tür klingelte. Verwundert richtete ich mich auf. Eigentlich erwartete ich niemanden. Und für die Post war es viel zu früh. Egal, mir wäre jeder, wenn es nicht gerade ein Axtmörder war, für einen kleinen Plausch willkommen! Ich eilte zur Haustür.
»Hallo, Dante.«
Ich betrachtete die Frau, die auf der Schwelle stand. Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als ich, hatte die schwarzen Haare zum Pferdeschwanz gebunden und trug einen grauen Kostümrock mit pinkfarbener Bluse. Ihr Gesicht war perfekt geschminkt und über ihrer Schulter hing eine ziemlich riesige Tasche. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich sie eingeordnet hatte.
»Äh … Veronica, oder?«, fragte ich. An den Augen hatte ich sie schließlich erkannt. Sie waren mandelförmig wie bei Collette, ihrer Schwester.
»Genau«, sagte sie lächelnd. »Darf ich reinkommen?«
Was zum Teufel wollte Veronica hier? »Ist irgendwas mit Collette? Hatte sie einen Unfall oder so was?«, fragte ich besorgt.
»Nein, nein. Nichts dergleichen«, beruhigte mich Veronica schnell. »Darf ich reinkommen?«
Noch verwirrter als zuvor trat ich einen Schritt beiseite. »Erste Tür links«, dirigierte ich sie ins Wohnzimmer.
Sie betrat den Raum und stutzte einen Moment, als sie Emma mit ihren Tieren spielen sah. Zu allem Überfluss verbreitete meine Tochter einen ziemlichen Gestank. Ihre Windel war voll.
»Wie geht es ihr?«, fragte Veronica. »Emma heißt sie, stimmt’s?«
»Ja, richtig. Und es geht ihr gut«, erwiderte ich.
Sollte ich Emma gleich wickeln oder warten, bis Veronica wieder weg war? Ich entschied mich für Letzteres. Ich wollte nicht unhöflich wirken und mit Emma verschwinden, kaum dass Veronica Platz genommen hatte. Collettes Schwester setzte sich aufs Sofa, ich sank langsam in den Sessel gegenüber. Emma spielte zwischen uns auf dem Teppich. Ich wartete darauf, dass Veronica zur Sache kam.
»Und, wie geht es dir?«, fragte sie.
Meine Verwunderung wuchs. »Prima, danke. Nichts für ungut, aber du hast wohl kaum den ganzen Weg hierher auf dich genommen, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen.«
»Doch, eigentlich schon – indirekt.«
Mich beschlich ein mulmiges Gefühl.
»Ich weiß nicht, ob Collette es dir erzählt hat, aber ich bin Sozialarbeiterin.«
Jede Faser meines Körpers war in Alarmbereitschaft. »Ja, hat sie mir erzählt«, entgegnete ich vorsichtig. Worauf wollte sie wohl hinaus?
»Collette hat mir auch erzählt, dass deine Exfreundin mit einem Kind aufgetaucht ist und …« Ein kurzer Blick zu Emma. »Also, wie kommst du allein mit dem Kind zurecht?«
»Ich bin nicht allein. Mein Dad und mein Bruder helfen mir«, sagte ich. Was sollte das alles? »Warum bist du hier?«
»Keine Sorge, mein Besuch
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