Boys Dont Cry
Dads Entrüstung einzugehen.
»Doch, aber dein fröhliches Getue geht mir auf die Nerven. Es ist mir sogar irgendwie unheimlich«, erklärte ich.
»Sei bloß nicht so eingebildet, Dante«, meinte Adam.
»Dannhg … Dannhg …«, blubberte Emma und trat mit den Beinen in alle möglichen Richtungen.
»Habt ihr das gehört?«, fragte ich Dad und meinen Bruder strahlend. »Sie hat ›Dad‹ gesagt!« Ich ging vor dem Buggy in die Knie. »Emma, du hast ›Dad‹ gesagt! Bist du klug! Sag es noch einmal!«
»Wenn sie ›Dad‹ gesagt hat, fress’ ich ’nen Besen«, meinte Adam abfällig.
»Dante, im Ernst, ich glaube, sie hat nur gerülpst«, neckte Dad.
»Ihr beiden habt offenbar größere Probleme mit Ohrenpfropfen«, entgegnete ich säuerlich. »Vielleicht sollten wir an einer Apotheke vorbeigehen, damit ihr das abklären könnt?«
»Danngh …«
»Seht ihr? Emma ist auch meiner Meinung.«
»Dann bedeutet ›Dannhggg‹ also nicht ›Dad‹, sondern ›Opa und Onkel Adam, packt euch in die Apotheke! zu den guten Jungfern‹?«, fragte Dad.
Ich hatte schon lange keins von Dad abgewandelten Shakespeare-Zitaten mehr gehört. Sein Lieblingsspruch war ›wie viel schärfer als einer Schlange Biss sind zwei undankbare Bälger!‹. Das mochte er besonders.
»Dad, Emma ist ein bisschen zu jung, um ihr deine Version von Shakespeare anzutun«, sagte Adam.
»Nein, ist sie nicht. Dad hat recht. Sie ist sehr frühreif. Sie kommt nach mir«, grinste ich.
»Dante, geh mal aus dem Weg.« Dad scheuchte mich beiseite. »Ich bin nicht Mary Poppins, ich kann nicht über dich rüberfliegen.«
Ich tat wie geheißen und wir setzten unseren Weg fort.
»Hallo!«
»Wie geht’s?«
Adam schaffte es noch zweimal, wildfremde Leute zu grüßen, bevor ich ihm mit der Hand den Mund verschloss. Er versuchte sich freizukämpfen, doch das würde ihm nicht gelingen, nicht, bevor er mir etwas versprochen hatte.
»Ich lass dich los, wenn du versprichst, nicht mehr so schrecklich aufgekratzt zu sein«, sagte ich zu ihm.
Schließlich nickte Adam, während Dad bloß den Kopf schüttelte. Aber kaum hatte ich meinen Bruder losgelassen, rannte der los wie ein geölter Blitz. In sicherem Abstand drehte er sich zu uns um.
»Hallo, Welt!«, brüllte er, so laut er konnte.
Ich krümmte mich vor Lachen.
»Dante, es tut gut, dich wieder lachen zu hören«, sagte Dad.
Es tat auch gut zu lachen.
»Dannhg …«, stimmte Emma zu.
30 ADAM
Wie kann man sich bloß gleichzeitig so glücklich und so elend fühlen? Ich habe jemanden kennengelernt. Und wenn wir allein sind, ist er klasse. Er ist klug, sieht gut aus und er bringt mich so oft zum Lachen. Aber das ist nur, wenn wir allein sind.
In Gesellschaft ist alles anders.
Ich wünschte … ich wünschte, er würde sich meiner nicht so schämen.
Und wenn er aufhören könnte, sich seiner selbst zu schämen, dann hätten wir vielleicht eine Chance.
31 DANTE
Dad war arbeiten, Adam in der Schule und ich mit Emma allein zu Hause. Trotz des bedeckten Himmels war es ein warmer Herbstmorgen.
»Möchtest du in den Park, Emma?«, fragte ich.
Emma tapste zu ihrem Buggy hinüber. Das war Antwort genug. Ich nahm sie auf den Schoß, steckte ihre Füße vorsichtig in die Stiefelchen und überlegte, dass sie ein bisschen im Park herumlaufen konnte. Dann wäre sie nach dem Mittagessen schön müde und würde ein Mittagsschläfchen halten. Inzwischen fand ich es nicht mehr ganz so nervenaufreibend, mich um sie zu kümmern, jedenfalls nicht wie am Anfang. Manchmal fing sie zu weinen an und ich wusste nicht, warum. Dann musste ich ein Meer von Geduld aufbringen, von dem ich nie gedacht hätte, dass es in mir steckte. Außerdem gab es noch etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich war einsam. Ein paar von meinen Freunden hatten mich gelegentlich besucht, doch nachdem meine neue Situation alltäglich geworden und ihre Neugier gestillt war, hörten diese Besuche auf. Meistens war ich, bis Dad und Adam nach Hause kamen, mit Emma allein. Die Spaziergänge durch das Einkaufszentrum oder den Park sorgten dafür, dass wir beide mal vor die Tür kamen, sonst wäre mir die Decke auf den Kopf gefallen. Trotzdem, ein richtiges Leben war das nicht, das führten die anderen Menschen. Mein eigenes war auf Eis gelegt.
Dafür hatte ich Emma.
Wir verließen also das Haus. Ich schob mit der einen Hand den Buggy, an der anderen hielt ich Emma.
»Hallo Park, wir kommen!«, sagte ich zu ihr.
Sie blickte zu mir hoch und
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