Bradens Vergeltung
untersuchte.
Ihre Mutter, Gott segne sie, hatte immer gespürt, wann ihre Kinder in Schwierigkeiten steckten, auch wenn ihre empathischen Fähigkeiten nicht so stark waren wie die ihrer Tochter.
»Mir geht es gut, Mom. Nur Jo ist verletzt.« Sie stand auf und holte ein Geschirrtuch vom Küchentresen, um es auf die Wunde zu drücken. Dann beugte sie sich zu dem Hund herunter und hielt seinen Kopf. Inzwischen sank ihr Adrenalinspiegel langsam wieder ab, und sie fühlte sich schwach. »Aber er wird durchhalten, bis sie hier sind.«
»Bist du sicher?« Ihre Mutter ließ sich nicht täuschen. Sie hatte auf Megans Anruf gewartet, ein Beweis dafür, dass ihr Vater und ihr Großvater alles stehen und liegen lassen hatten, um herzukommen.
Auch ihr Großvater musste gewusst haben, dass etwas nicht stimmte. Er behauptete immer, der Wind erzählte ihm von ihr. Bei dem Gedanken schüttelte sie den Kopf. Empathie vererbte sich über die Linie ihrer Großmutter in der Familie. Megan war nie sicher gewesen, welche Gabe sich auf der Seite ihres Großvaters vererbte, aber sie war sicherlich genauso mächtig wie die Talente, die sie besaß, wenn nicht noch mächtiger.
»Ich bin sicher, Mom. Ich liebe dich, aber ich muss jetzt aufhören.«
Sie legte auf und sah hoch zu Braden.
Er beobachtete sie besorgt, und ihr wurde klar, dass sie ihn definitiv nicht mehr loswerden würde. Lance würde diesen kleinen Vorfall hier nutzen, um sich durchzusetzen, oder ihr zumindest die ganze verdammte Familie auf den Hals zu hetzen.
»Weißt du, Braden, wir werden wirklich nicht gut miteinander auskommen. Tatsache ist, dass ich nicht mal glaube, dass ich dich mögen werde.«
Bevor er etwas erwidern konnte, drehte sie sich von ihm weg, als das Geräusch eines Fahrzeugs zu hören war, das in ihre Einfahrt bog. Sie ging zur Hintertür und seufzte erleichtert, als ihr Vater und ihr Großvater eilig aus dem Wagen stiegen und zum Haus liefen.
»Bist du okay, Meg?« Ihr Vater nahm sie fest in die Arme.
»Mir geht es gut. Aber Mo-Jo ist verletzt. Er hat ein Messer in den Bauch bekommen.« Sie zitterte und versuchte, dem Blick ihres Vaters auszuweichen, und der Besorgnis darin, die ihr immer das Gefühl gab, zu ersticken.
Ihr Vater trug seine üblichen Jeans, aber dazu ein Anzughemd und eine Krawatte mit Silberfäden, ein Zeichen, dass er heute Abend hatte ausgehen wollen. Sein dichtes schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen, und seine schwarzen Augen blickten hart und prüfend, als er durch die Küche zum Flur ging und einen kurzen Blick auf Lance warf.
»Die Wunde sieht ziemlich tief aus, Dad«, seufzte sie und sah ihren Großvater resigniert an, während sie sich von ihm zu einem Küchenstuhl führen ließ.
»Onkel Dave, das hier ist Braden Arness«, hörte sie Lance brummeln.
Sie war sich dessen bewusst, dass Braden sie beobachtete. Er hatte den Kopf zur Seite geneigt und registrierte jede Bewegung, jeden Gesichtsausdruck, während er die Szene vor sich verfolgte. Aber noch stärker spürte sie diese Ruhe, die so sehr ein Teil von ihm war und die sie schützend einhüllte. Daran konnte eine Frau sich leicht gewöhnen. Zu leicht. Es würde verdammt schwierig für sie, wenn sie wieder darauf verzichten musste.
Seine Augen blickten fragend, beinahe verwirrt, als ihr Großvater, altersgebeugt und schlurfend wegen seiner steifen Gelenke, ihr auf die Schulter klopfte.
»Bleib sitzen, kleine Kriegerin. Ich mache dir einen Tee.« Seine Stimme war voll Sorge, ebenso wie der Ausdruck in seinem wettergegerbten Gesicht.
»Kaffee.«
»Tee«, bestimmten Vater und Großvater fest.
Sie verzog das Gesicht. Sie wollte Koffein.
Trotz der Ruhe der beiden nahm sie ihre Angst wahr. Sie fühlte sie nicht, zum Glück. Aber sie spürte, wie sie sich in der Luft um sie herum verdichtete.
»Was war hier los, Lance?« Ihr Vater beugte sich über Mo-Jo, mit seinem kleinen schwarzen Medikamentenkoffer neben sich, und untersuchte die Wunde.
»Wieso fragst du ihn? Er war nicht hier.« Sie hasste diese übertriebene Fürsorge, die sich um sie herum auszubreiten begann. Warum hatten sie nicht gleich noch ihre Mutter mitgebracht? Dann wäre sie gleich komplett in Watte gepackt worden.
Ihr Vater warf ihr über die Schulter hinweg einen kurzen Blick zu, und für eine Sekunde sah sie darin eine Wut und Angst, die sie eigentlich nicht hätten schockieren dürfen. Doch dem war so, weil sie die Gefühle nur wahrnahm, aber nicht selbst fühlte so wie sonst. Sie
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