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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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Alma.“
    „Ich weiß. Ich auch.“
    „Vor allem nachts, wenn es still ist im Haus.“
    „Ja. Ich auch. Aber man kann nichts tun. Nur sein Tagwerk tun kann man. Mit der Politik und dem Krieg – da haben wir nichts mit zu schaffen. Wie denn auch? Der Va ter wird ein Auge auf uns haben. Wir haben drei Männer im Haus und Jakob. “
    „Hoffentlich nützt das etwas. Vater wird die Tage immer seltsamer. Er spricht kaum noch, brummelt vor sich h in… Was dem durch den Kopf geht , verstehe ich nicht. Er sagt ja nichts.“
    „Nein, tut er wirklich nicht. Keinen Satz zu viel sagt er. Er ist alt geworden , seit wir weg sind.“
    „Das stimmt. Fast wie Lobgott, nur mit mehr Haaren auf dem Kopf. Aber Lobgott ist noch rege, wenn er auch verbohrt geworden ist.“
    Alma seufzte. „ So ist der Lauf der Zeit. Hier – fass bei de m Korb mit an, er drückt mir in die Finger.“
     
    „Nun ist es soweit“, sagte Daniel Freier einige Wochen später, als er ins Haus kam. „Der Russe ist ins Reich einmarschiert.“
    Prudöhl, Lobgott und die Kinder saßen am Abend in der Küche a m Tisch . Sie sahen ihn an , plötzlich stumm . Ilse lag in einer Decke in Lillis Armen und schlief.
    „Wo hast du das her?“, fragte Lobgott. „Sind sie über die Grenze? Das glaube ich nicht. Das wär e das erste Mal, dass sie sich ins Land trauen.“
    „Die Leute im Ort haben e s gesagt – der ei ne dem anderen. Aufgeregt wie Hühner. Aber aus der Nase ziehen musste man es ihnen. Wenn die einen nicht kenn en, sagen s ie nichts. Da ist sich jeder selbst der Nächste.“
    „Wo soll en sie stehen ?“
    „I rgendwo im Osten, in Memelland und in Ostpreußen. Aber sie stehen nicht. Sie marschieren flott voran. Da draußen sollen sie jedenfalls gewütet haben wie die Hun nen, in einem Dorf gleich an der Grenze. Jemensdorf oder was, irgend so ein Name. Reinmarschiert sind sie, und massakriert haben sie die Leute…“ Er sah in die Runde und biss sich auf die Zunge, als Lilli und Arthur ihn entsetzt ansahen.
    „Umgebracht?“, fragte Lilli.
    Freier hing Fellmütze und Jacke auf . „Lasst uns mal allein, Kinder. Das ist nichts für euch. Geht rüber nach nebenan oder nach hinten.“
    Lilli und Arthur gehorchten, während Jakob auf seinem Hocker sitzen blieb und selbstbewusst in die Rund e blickte. „Ich will es auch wissen, Vater “, sagte er. „ Wenn ich arbeiten kann wie ein Erwachsener, kann ich auch zuhören.“
    „Wo ist die ses... Jemersdorf?“, fragte Prudöhl.
    „Mir unbekannt. Kennst du das, Lobgott?“
    „Sagt mir nichts. Muss was Kleines sein. Warte , ich hol die Karte von drüben, vielleicht lernen wir noch was.“ Lobgott stand auf und ging ins Nebenzimmer.
    „ Gewütet haben sollen sie“, wiederholte Freier leise . „Die Ro te Armee. Im Rundfunk haben sie e s gesagt. Warum sollen sie da Lügen erzählen, die keiner hören möchte?“
    „Geh …“, stöhnte Prudöhl. „Im deutschen Rundfunk?“
    „Bilder soll es auch geben – in dieser Wochenschau, die sie in den Lichtspielen machen. Mit Toten u nd allem Drum und Dran. Da gibt e s kein Herumreden. Überall Tote… und… Frauen auch. Das ist echt. Das kann man nicht nachmachen. Man sieht es im Film. “
    „Nemmersdorf vielleicht?“, rief Lobgott aus dem Nebenzimmer, in dem Minna und Lilli ihre Betten hatten.
    „Könnte e s gewesen sein“, rief Freier zurück. „ Liegt das bei den Ostpreußen?“
    „An der Grenze. Dann sind sie nun wirklich im Reich.“
    „Die Menschen sollen schon alle auf der Flucht sein und die Straßen verstopfen. Mitten im Winter.“
    Minna hielt sich die Schürze vor den Mund.
    „Und im R undfunk kein Wort. Da palavern s ie von eisernem Willen , und ich weiß nicht , von was noch. Ein menschliches Bollwerk bilden… die Bolsch e wiken… Entweder sie wissen e s wirklich nicht besser, oder die sind verrückt geworden. Die Rote Armee spaziert in Deutschland herum, und die verbieten den Leutchen, aus dem Haus zu gehen.“
    Lobgott stand im Türrahmen, die Arme in hochgekrempelten Hemdsärmeln ineinander verschränkt. „Wie viele sollen auf den Straßen sein?“
    „Ich weiß es nicht. Tausende sicherlich. Wie viele leben da im Osten – h underttausend? Zweihunderttausend?“
    „Viel mehr“, sagte Jakob. „Milli onen. Allein in Königsberg sind e s ein paar hunderttausend.“
    „Stimmt das, Lobgott?“, fragte Freier.
    „Der Junge hat r echt. Ja. Nur glaub e ich nicht, dass alle vor ein paar Russen ausbüch sen. Die werden sie

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