Braeutigame
as sind keine hundert Werst von hier .“
„Es ist ver - bo - ten .“
„Es ist auch verboten, sein Leben wegzuwerfen“, sagte Jakob. „Sogar den Großdeutschen. Wir sind auch Deutsche, weißt du?
„ Hast du nicht gelesen, was die Nationalen auf ihren Anschlägen schreiben? Wenn einer zu fliehen versucht, wird er abgeholt. Da hast du’s. “
„Das kannst du doch nicht… lass gut sein, ich gebe e s auf. Mach, was du willst. Ich bin lieber vorbereitet. Wenn wir hierbleiben und abwarte n – das ist Selbstmord, Minna.“
„Du redest… “
„Und du erst!“
„ Lass die Russen einfach kommen . Die fahren durch, und das war e s.“
Georg warf sein Sturmgewehr in den kniehohen Schnee zwischen den Birken, in dem es versank. Als er durch einen Fluss gewatet war , war die 44 ins Wasser gefallen und unbrauchbar geworden . Auch sein Tornister – mit Brot, alte r Schokolade, sein er Decke und dem versiegelten Umschlag von Götze – war durchnässt. Er wusste nicht, ob die Befehl e nach dem Öffnen noch lesbar sein würden. Er würde sich, sollte er auf feindliche Truppen stoßen, nur mit einem Messer und einer Pferdepeitsche verteidigen müssen. Oder ergeben.
Es wurde dunkel, die Kälte kroch unter seinen Mantel. Es schneite nicht mehr, aber unter den hohen Kiefern und Fichten lag schwerer, angeschmolzener Schnee, der das Gehen erschwerte. Georg wusste nicht, wo er sich befand . Er war fünfzehn Stunden auf den Beinen und gab den Versuch auf, seine Kompanie wiederzufinden. Die Heeresgruppe Kurland war offenbar gesprengt worden, verstreut. Mit jeder Stunde, die verstrich, sank die Wahrscheinlichkeit, dass er sie treffen würde. Er fror und ging weiter – zwang sich zu gehen, nicht stehen zu bleiben. Er hatte keinen Kompass dabei, aber er war sic h sicher, nach Südwesten zu gelang en, dem letzten Licht der untergegangenen Sonne entgegen. Dort musste die Ostsee liegen, fünfzig oder hundert oder zweihundert Werst entfernt, oder das Haff, von dem Götze gesprochen hatte. Er kannte dieses Meer nur von den Karten, die er im Lager studiert hatte. Dort würde es eine Stadt geben oder jedenfalls einen Ort, wo er sich für ein oder zwei Tage ausruhen konnte, bevor er sich wieder auf den Weg machen würde. Sicher würde er irgendwo Truppen und einen Kommandanten finden, de m er, so unangenehm es sein mocht e, Meldung machen konnte. Er schämte sich, sich verirrt zu haben. Er!
Georg hielt nach einem dicht von Bäumen und Gestrüpp um standenen , windgeschützten Waldstück Ausschau, wo er ein Feuer machen und einige Stunden schlafen konnte . Bevor er eine geeignete Stelle gefunden hatte, wurde er in der Abenddämmerung auf ei n Leu cht en aufmerksam: Es musste eine Scheune oder ein verlassener Hof sein, a m anderen Ende eines kleinen, schneebedeckten Ackers . Im Schutz der Dunkelheit bewegte er sich am Feldrand langsam darauf zu und sah, dass dort ein altes, flaches Bauernhaus mit geschlossenen Fensterläden brannte. Die Flammen hatten auf das Holz des Dachgebälk s übergegriffen. Vielleicht würde er Vorräte und einen Stall finden, dachte er, oder ein H eulager, in dem er schlafen konnte.
Als er näher kam, sah er auf dem Hof einen Geländewagen stehen. Er konnte das Kennzeichen nicht lesen, war sich aber sicher, dass es kein Auto der Wehrmacht war. Er stellte seinen Tornister auf einen Baumstumpf , nahm die aufgerollte Peitsche in die Hand und schlich langsam auf das Haus zu. Als er sich dem Wagen auf fünfzehn Schritte genähert hatte, sah er einen Mann am Steuer sitzen. Georg blieb stehen und blickte vorsichtig um sich. Er hörte nur die Flammen, die Holz und Schindeln knacken ließen.
„Rauskommen!“, rief er auf Russisch. „Hände über den Kopf!“
Nichts geschah.
Er ging langsam auf den Wagen zu und spähte durch die hinteren Fenster. Der Kopf des Mannes lag auf dem Lenkrad.
Georg ging mit der Peitsche in der Hand vor und öffnete die Fahrertür. Der Mann fiel ihm vor die Füße, in den Schnee , stöhnend. Er trug die Uniform der Roten Armee .
„Was ist los?“, schrie Georg nervös . „Wer bist du? Beweg dich nicht, Genosse, sonst bist du tot!“
Der Mann, ein Russe, sah zu ihm hoch. Er hatte Blutspuren auf der Stirn, in den Haaren und an der Schulter. Georg trat zwei Schritte zurück und sah ein Bajonett in der Hand des Russen.
Er traf ihn mit dem ersten Peitschenschla g im Gesicht, ein doppelter, sofort blutender Streifen , der vom Auge nach hinten in die klebrigen Haare lief. Georg
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