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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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vorwärts, die sich ihre wunden Fußsohlen an den Waden rieb. „Schnell. Nu n frag nicht groß… beweg deinen Hintern, Kind! Hier, Lilli, nimm den Koffer und die Wasserflasche vom Wagen mit. Alma, wir tragen den Jungen.“
    Der Keller lag im Halbd unkel n, d er Strom war ausgefallen. Eine Benzinlampe aus Blech hing am Fuß der Treppe und beleuchtete eine in roter Farbe gepinselte Aufschrift auf dem Mauerwerk: 120 P . Anweis. d. Hauswarts ist unbed. Folge zu leisten.
    Zu beiden Seiten gingen Gänge ab , in denen mit Wasser gefüllte Zinkeimer standen. „Geh links rein, Minna“, rief Hildchen Glück, die mit Arthur auf den unters ten Stufen der Treppe stand. „Hier drüben, das sieht mir aus wie der Kohlenkeller. Da kriegt man keine Luft, und alles wird dreckig.“
    Im linken Keller, der unter gemauerte n Gewölbedecken lag, hing Schweißgeruch. Es gab noch viel Platz. Einige Mütter saßen mit ihren Kindern an den Wänden, in den besten Kleidern, als ginge es am Sonntag in die Kirche.
    Sie tasteten sich langsam voran und nahmen im hinteren Teil des Kellers eine Ecke in Beschlag, wo sie Arthur ein Lager bereiteten.
    „Selbst hier unten hört man noch die Sirene“, sagte Irma Schilling . „Und wie es… Angst riecht sauer. S oll keiner et was anderes behaupten.“
    „Wie lang e müssen wir hier bleiben?“, fragte Lilli.
    „Weiß der Himmel“, sagte Hildchen Glück. Sie deckte Arthur vorsichtig mit einem Mantel zu. „So, Jungchen, nun mach mal deine Äuglein auf und lächel die alte Tante Hilde hübsch an…“ Sie schl ug ihm sanft auf die Wangen. Arthur öffnete die Augen und tat ihr den Gefallen.
    „So ist es gut. Brav. Für lange wird es nicht sein. Sobald die Sirene aufhört, bringen wir dich wieder an die frische Luft.“
    A rthur nickte und schloss die Augen.
    „Schlaf, du. Komm, Frau Schilling, dann gehen wir noch einmal schnell nach oben und sehen nach dem Bollerwagen. Da, wo er im Hof steht, können wir ihn nicht lassen. Ein Bömbchen, und der fliegt uns davon. Ist ja nicht wie bei reichen Leuten hier, wo man einfach darauf verzichten könnte .“
     
    Die Bomber kamen erst nach Einbruch der Nacht, gegen zehn. Alma stand mit Frau Schilling und Hilde Glück im Hinterhof und betrachtete den Himmel im Südosten, der rot leuchtete. Cottbus brannte. Sie hatten die ersten Maschinen gehört und schließlich auch gesehen, sie flogen tief, unter den Wolken.
    Alma stieg wieder in den Keller. Im rechten Teil stöhnte eine junge Frau. Sie lag auf einer Wolldecke, die ihre Mutter auf einem Bett aus Kohlen ausgebreitet hatte, in den Wehen. Alma konnte ihr Gesicht kaum erkennen. Sie musste ungefähr zwanzig sein.
    „Das ist doch keine Zeit, um Kinder zu kriegen“, hörte sie jemanden sagen. Sie drehte sich um. Es war ein alter Mann, der sich mit einer Hand auf einen Gehstock stützte und in der anderen sein Gebiss hielt.
    Bomben fielen in der Nähe, und die Erde – der Keller – das Gewölbe – bebten. Staub rieselte von der Decke und aus den Brettern der Verschläge, le gte sich auf Kleider, Haare, Haut. Die Frauen schützten die Köpfe ihrer Kinder mit ihren Händen, starrten nach oben, fürchteten, dass das Haus über ihnen einstürzen würde. Balken knarrten; waren sie getroffen? – war es das Ende? Sie schwitzten. War es nur die Angst, oder brannte es über ihren Köpfen, wurde die Luft heiß und zum Atmen zu dünn?
    Alma saß neben Arthur und strich ihm mit den Fingern durch die nassen Haare. Sie erkannte se in Gesicht in der Dunkelheit kaum . Dünn sah e r aus, faltig , der Mund offen, die Lippen trocken und aufgeplatzt, die Zunge wei ß belegt. Arthur schwitzte stark, er schob immer wieder, die Augen geschlossen, die Wolldecke von seiner Brust. Lilli kniete hinter ihm auf dem Boden und faltete die Wäsche in ihrem kleinen Koffer neu.
    Am anderen Ende des Kellers, nahe am Treppenaufgang, begann eine Frau zu singen, Der Mond ist aufgegangen . Ein Kind lag in ihrem Schoß und summte mit. Sie sangen mehr Strophen als Alma kannte. Sie wunderte sich, wie gut das Mädchen den Text im Kopf hatte. Als sie fertig waren, setzte der alte Mann seine Zähne ein . Er hatte keine gute Stimme, konnte die Melodie kaum halten, aber es war ein lustiges Lied, und das konnten sie gebrauchen: Dass es düster sei im Keller, da brennt kein Licht, da brennt kein Licht, da scheint die liebe Sonne nicht .
     
    Am frühen Morgen waren Arthurs Wangen bis unter die Augen aufgedunsen. Er hatte Schüttelfrost , schrie einmal laut

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