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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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hatten.
    Vielen Körpern fehlten die Stiefel und die Sc huhe, manchen die Füße.
    Die Leib er der Soldaten, verstümmelt.
    Einen nackten Rumpf hatte sie im Vorbeiziehen gesehen, ohne Glieder, ohne Kopf, ein Mann, und die toten Kinder, die kleinen, mageren Mädchen, und Alte, Alte, Alte.
    Die Kinder, die mit ihnen zogen, mit den viel zu großen, leeren Rucksäcken – alle trugen etwas mit sich herum, ihre Stofftiere, die Papiere, Fotografien der Eltern und Großeltern, ein paar Pillen und alte Brotkrusten, Tücher für die Wun den, die auf sie warteten.
    Sie dachte an die verdrehten Augen der Russen und die Münder schief und feucht vor Lust, und an Ilse, und an He inrich.
    Vielleicht war Heinrich in einem der Güterwaggons, in dem Verwundetentransport, vielleicht war er ganz nah… ?
    Alma stand auf, stieg leise über ihre schlafenden Ge schwister und öffnete die T ür. Sie trat hinaus, drehte sich zur Seite und übergab sich in die Büsche, die an den Hauswänden wuchsen. Ihr Erbrochenes war dunkelgrün , eine dünne Suppe, in der harte Klump en schwammen, Brennnesselblätter .
    Sie sah Irma Schilling mit offenen Haaren in der Tür stehen. „Was ist mit dir , Kind ?“, flüsterte sie.
    „Mir ist schlecht.“
    Frau Schilling sah sie prüfend an. „Ist das unser Festmahl, oder hast du das schon länger?“
    Alma biss sich auf die Unterlippe, schüttelte den Kopf.
    „Ah .“ Frau Schilling sah betreten auf den Boden. „Das ist nicht gut. W enn jetzt die Übelkeit kommt, nein o nein…“
    Alma fing zu weinen an, hielt sich die Hand vor den Mund , biss hinein .
    „Wann hast du die letzte Regel gehabt, Kind?“, fragte Irma Schilling.
    Alma antwortete nicht.
    „Alma? Nun sag mir, wie es steht. Es lässt sich nicht ändern, so oder so nicht.“
    „Wie sollte ich auch meine Blutung haben“, flüster te sie mit nass en Augen. „Ich esse nichts – oder nur Fraß – ich laufe und tue und mache – da i st keine Zeit für. Wo sollte ich es hernehmen ?“
    „Dünn bist du, Kind, das stimmt. Viel zu dünn. Fleisch hast du keines mehr auf den Rippen. Zeig mal her.“ Sie schob Almas Arme zur Seite und sah ihr auf Hände, Schultern, Brust. „Schau, dein Ring am Finger ist ganz lose geworden. Da passt ein Bleistift zwischen, wenn du mich fragst. Aber obenrum… kann man nicht sagen, dass was fehlen tät.“
    „Ich habe Angst, Irma“, flüsterte sie. „Solche Angst.“
     
    Am nächsten Tag wälzte sich Arthur auf den Polstern des alten Sessels. Alma fühlte seine Stirn und wischte mit einem angefeucht e te n Tuch den Schweiß ab . Er hatte hohes Fieber .
    „Ich bin nicht die Aufpasserin für den Jungen“, sagte Frau Schilling. „Aber ich meine, er hat sich seit zwei Tagen nicht mehr entleert. Hast du ihn austreten sehen?“
    „Er hat auch nichts gegessen“, sagte Alma ohne aufzusehen. Sie blies ihm vorsichtig ins Gesicht, um ihn zu kühlen.
    Arthur starrte den Vormittag hindurch teilnahmslos mit offenem Mund an die Decke. Er sagte, alles täte ihm weh – der Bauch, der Kopf. Um die Mittagszeit begann er, laut zu stöhnen und wirr zu rede n. Die Frauen verstanden nicht, was er sagte, was er wollte.
    „‚Musst dich leicht machen’“, sagte Alma. „Weißt du noch, Irma…? Auf dem Weg von Vetschau ist er ein Stück auf einem Wagen mitgefahren – der große Heuwagen, auf dem sie Torfziegel geladen hatten. Da hat Arthur auf dem Kutscherbock sitzen dürfen, weil er nicht mehr gehen wollte, und die Frau, die die Zügel hatte, hatte gesagt ‚musst dich aber leicht machen, junger Mann‘ . Das ist es, was er sagt.“
    „Er ist im Fieber. Hier, gib ihm zu trinken.“ Irma Schilling reichte Alma eine Blechtasse. „Alle Kamille, die ich noch hatte, und Lindenblüten und Weidenrinde. Es ist besser als nichts.“
    „Was hat er, glaubst du ?“
    Frau Schilling zog die Mundwinkel nach unten und wackelte ab wägend mit dem Kopf . „Die Grippe ist es nicht. Dafür ist es zu spät im Jahr und viel zu warm jetzt. Vielleicht hat ihm das Essen… – aber das wird es nicht sein, ihm ist seit Tagen nicht wohl, und er hatte schon lange dieses Fieber, vor drei oder vier Tagen, auch wenn es da noch nicht schlimm war.“
    „Meinst du , er könnt sich die Lungen entzündet haben?“
    „Schwer zu sagen. Lass mich ein mal ran an ihn.“ Frau Schilling kniete sich neben Arthur und legte ihm die flache Hand auf die Brust. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich.
    „Das Herz“, sagte sie schließlich, als sie

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