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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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nac h seiner Mutter und weckte die S chlafenden, dann rief er nach Lilli, Alma – nach allen Frauen seines Lebens, seiner Welt. „Die E isensteine…“, flüsterte er.
    Alma drehte sich verwirrt zu Irma Schilling um, die vielleicht verstehen würde, was er meinte, aber sie saß nicht mehr neben ihr; sie wusste nicht, wo sie war; wahrscheinlich ruhte sie irgendwo hinten bei dem schwangeren Mädchen aus , wenn sie bei dem Krach schlafen konnte – vielleicht war das Kind schon gekommen, sie hatte sie lange... nein, sie war immer noch nicht fertig mit der Geburt .
    Arthur schien Stimmen zu hören, er redete mit sich selbst, „gar… schöne... Eisensteine.“
    „Ruhig“, flüsterte Alma. „Ich bin hier.“
    Er starb wenig später, während seine Schwestern ihm mit den Fingern durch die Haare strichen und das Gesicht abtupften. Alma legte sich neben ihn auf den Mantel, um ihn zu wärmen, um die Wärme im Körper zu halten. Minna und Lilli knieten an der Kellerwand und weinten, aber weder Alma noch Arthur hörten es in der Dunkelheit.
     
    Alma trug ihn im Mantel nach oben, ins Licht. Auf der Treppe sah sie, dass sein Mund weit aufge rissen war. Sie drückte ihn zu . Bevor sie aus dem Treppenhaus in den Hof trat, suchte sie den Himmel nach Flugzeugen ab, aber sie sah und hörte nichts. Die Sire nen waren verstummt . Alma erinnerte sich nicht, wann sie das letzte Heulen gehört hatte. Es musste in der Nacht gewesen sein, unten. „Haben sie Entwarnung gegeben?“, fragte sie ein Mädchen. Sie bekam keine Antwort.
    Es war ein kühler Frühlingsmorgen, aber der Himmel war klar, die Sonne würde die Luft bald erwärmen. Im Osten stand eine gr aue Dunstwolke am Horizont. Cottbus, sagte jemand. Die Stadt brannte – das, was noch von ihr übrig war.
    Hildchen Glück lag mit dem Kopf nach unten in einem Bombenkrater auf dem Kirchplatz. Ein Schuh war ihr davongeflogen, im Strumpf hatte sie ein Loch, aus dem alle fünf Zehen ragten . Ihre Freundin Irma Schilling hing mit dem Karren, auf dem sie Arthur gezogen hatten, auf einem Lieferwagen, auf dessen Rückseite in Schreibschrift Gummi und Kautschuk kauf ich bei Rauzuk stand.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Kirchplatzes waren mehrere Häuser eingestürzt: Geblieben war ein langgezogener Berg aus Schutt und grauen Steinen, aus dem Rauch aufstieg. Zur Kirche hin sah sie mehrere Menschen in staubigen Kleidern auf der Straße liegen, aber sie achtete mit Arthur in den Armen nicht darauf. Im Kirchdach, das mit braunen Ziegeln bed eckt war, klaffte ein Loch. Sie kniff ihre Augen zusammen und erkannte im Dachgebälk mehrere Männer, die herumkletterten, winzig wie Schwalben am Sommerhimmel . Dann sah sie, dass das hintere Ende des Kirchenschiffs brannte. Sie löschen wohl, dachte sie langsam.
    Sie schüttelte ihren Kopf, um die Fliegen zu verscheuchen. Sie fragte sich, wo Lilli und Minna schon wieder waren.
    „Soll ich Ihnen helfen?“, fragte eine Frau mit weißen Haaren , die sie noch nie gesehen hatte. Alma sah auf Arthur, legte ihren Kopf schief, als wol lte sie zu einem Urteil kommen.
    „Das Fleckfieber ist schlimmer als der ganze Krieg“, sagte die Frau. „Die jungen Leut e – die Kinderchen … – hinten bei der Kirche – sehen Sie, dort – da ist Platz. Kommen Sie, lassen Sie uns gemeinsam gehen. Ich muss in die Richtung, nach meiner Schwägerin sehen. Da finden wir et was. Nun weinen Sie nicht… Man muss sich am noch größeren Elend der anderen aufrichten, das wissen Sie doch sicher. Kommen Sie , kommen Sie . .. “

Teil IV

Kapitel 17 : Hurra
     
    Daniel Freier blieb im Krieg. Sie hängten ihn kurz vor der Kapitulation, das war sicher; nur wer ihn hängte, schrieb nie mand auf ; einer in Uniform sollte es gewesen sein, ein Deutscher, dessen Namen niemand kannte, ein Fremder, der nicht aus Niederschlesien stammte , sondern von irgendwoher, aus dem Keller des Reichs. Einen Jungen hatten sie gerade auf den Hügeln des Katzengebirges aufknüpfen wollen, sechzehn war er, an einer Eiche, gut hundert Jahre alt. Der hatte es mit der Schlotteritis bekommen, als der Russe kam, und war, als er stürmen und drängen sollte, davongelaufen, aus Angst, er wollte leben. Das Seil hatten sie schon um seinen Hals gelegt und festgeknotet, und der Junge hatte sich die Hosen nass gemacht. Man möge den armen Kerl lassen, sag t e Freier, zufällig in der Nähe, er wäre doch ein Kind, noch lange nicht erwachsen, ein Bursche mit schwacher Blase, und was der nun dafür könn t

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