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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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ist es jetzt anders: Wir können schreiben, was wir möchten – nicht wie es unter der NS war. Oder noch anders: Wenn wir früher nichts Schlechtes über die Partei und die Zustände sagen durften, dürfen wir nun nichts Gutes mehr sagen, von wegen der Moral. Alles andere ist egal. Da ist mir aber (und auch Minna – erst recht Minna, Du kennst ihr Mundwerk) eine wirkliche Last von der Seele gefallen, dass man nicht ständig in seinem eigenen Haus auf seine Worte achten muss. Dass man einfach sagen kann, was und wie man denkt. Sie waren ja in ein igem richtig verrückt, die Nationalsozialisten . So lange hat es gedauert, bis sie endlich weg sind, und es ist alles zerstört hier im Reich: die Häuser, ganze Städte (die meisten Städte, die größten), alles liegt in Schutt und Asche. Die Men schen sind bitter, aber einige sind auch froh. Gerade die Alten sind froh – die wenigen Alten, die ich hier kenne. Viele sind gestorben von den Älteren; es fehlt schon so lange an so vielem, da geht die Kraft einfach, und sie legen sich hin und stehen nicht mehr auf.
    Wir sind wieder in einem Lager, in einem richtigen Lager diesmal (viel größer als das Gutewerk von der VoMi in Sachsen). Es geht uns hier recht gut , Heinrich. Es heißt Friedland und liegt nicht weit vom schönen Göttingen, im hessischen Land. Sie haben es nur für uns Flüchtlinge und für Vertriebene aus den Ostländern eingerichtet, von denen es viele gibt. Eine rechte Völkerwanderung ist es. Aber wir haben Platz, und es geht höflich zu, ohne Gezanke. Ganz neu ist alles hier, erst ein paar Wochen alt, alle Möbel und das Geschirr noch neu, die Decken, die Betten, alles. Von Berlin haben sie uns – meine beiden Schwestern und mich – mit einem Zug nach Göttingen gefahren. Es war nicht bequem, aber es war doch viel besser, als zu Fuß zu gehen. Das Wetter war warm, der Wind zog durch die Fenster der Wagen, wo wir auf richtigen Sitzen saßen, nicht wie Vieh. Ein paar tausend Leutchen sind hier. Es gibt Blechhütten, Ställe, eine große Halle zum Essen. Es ist alles beheizt, und es gibt saubere Decken und Wäsche und Latri nen. Wir haben gut zu essen . Kartoffeln und Rüben geben sie uns, so viel wir wollen eigentlich, es ist genug von allem. Gutes deutsches Brot haben wir (sie machen es hier dunkel), und es gibt viel Fisch, was Lilli, Minna und mir manchmal auf den Magen schlägt, wenn es besonders salzig gewesen ist. Einen kleinen Fis ch bringen sie hier oft an, Hering, den man recht gut braten kann, ohne dass er zerfällt, mit Zwiebeln , und wenn etwas übrig ist, legt man es in Essigwasser . Er schmeckt nicht nach viel, aber er macht satt. Es ist Arme-Leute-Essen. Das sind wir jetzt, arme Leute.
    Ich habe zum ersten Mal seit Monaten gekocht, Heinrich, gemeinsam mit Minna draußen vor unserer Kammer, und wir hatten viel Freude. Eine richtige warme Mahlzeit, stell Dir vor, unsere gebackenen Ölplatz mit e inem großen Stück Hühnerrücken und Hals . Es war wunderbar.
    Wir liegen nun in der englischen Zone. Die Russen haben hier nichts zu befehlen, nur manchmal kommen einige vorbei in einem Wagen, einem „Jeep“, wie man sagt. Aber sie können uns hier nichts. Die Engländer sind ein stolzes Volk, aber sie behandeln uns anständig, und – nun kommt das Schönste – die Amerikaner (die auch lange in diesem Krieg waren und viele Soldaten hier haben) schicken uns Lebensmittel aus ihrer Heimat. Was kommt, hat eine lange, lange Reise hinter sich , schließlich wird es über das a tlantische Meer gebracht , das meiste mit großen Flugzeugen, sagen sie . Es reicht noch nicht für alles (sie gebrauchen dort andere Dinge, essen sogar Brot aus gemahlener Popscha, was bei uns für Malig war und für die Tiere) – aber gleich: Sie schicken uns wunderbare Dinge in Paketen, und wir bekamen zuletzt sogar ein Pfund echte Bu tter, weil es auf Erntedank ging . Das wird auch bei den Amerikanern gefeiert. Sie sind fromme Christenleute dort. Wir haben schon vor zwei Wochen begonnen, ein klein wenig von den guten Sachen für das Weihnachtsfest zurückzulegen, vom Mehl und von der Hefe, da weiß man nie, ob es das in ein paar Tagen noch gibt, wo nun so viele hungern in den Städten. Warm haben w ir es auch bei uns in der Kammer . Man würde im Mantel gar nicht schlafen können, weil man schwitzen würde .

 
    19. Dezember 1945
     
    Heinrich, ich habe verg essen zu schreiben, dass ich in Berlin war, als wir aus dem Spreewald weg sind , für mehrere Nächte. Auf der

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