Braeutigame
ihre dünnen , spitz zulaufenden Flügel im Wind.
„Meinen Sie?“, sagte er schließlich. „Oh, bei diesem hier sind zwei Äste abgebrochen . Schade drum.“
„Mir kommt es so vor, als ob alles, was von Dauer in diesem Leben ist, grau ist.“
„Ist das so?“
„Finden Sie nicht? Steine, Asche, Burgen .. .“
„Ich weiß es nicht, Frau Lampe . Das ist zu hoch für mich. Zu philosophisch. Aber wir wollen hoffen, dass Sie noch lange Freude an diesem runtergekommenen Hüttchen haben. Eine ganze Ewigkeit von mir aus . Wenn Sie ihr Haus in grau haben wollen, k riegen Sie es in grau. Mir soll e s recht sein.“
„Mir gefällt es hier. Es ist ruhig. Nicht wie in der Stadt.“
„Sicher, ja. Das Meer, die Luft… Jetzt, wo Pfingsten vorbei ist und die warmen Tag e kommen. Die herrliche Sommerfrische… War mal richtig berühmt, die Gegend hier. “
„Es ist wirklich ein schöner Ort. Die Abende im vergangenen Sommer waren wunderbar. Salzwasser kann nie schaden – die See, Schweiß und Tränen, das ist nie verkehrt. Salzwasser heilt alles.“
„So oder so braucht das Holz frische Farbe. Sehen Sie, wie alles abblättert untenrum, wo im Winter die hohen Wellen ra nkommen. Man sieht e s von h ier oben. Fast armselig wirkt die Bude . Ich möchte nicht wissen, was die Leutchen hier reden , wenn sie vorbeikommen .“
„Grau also. Nehmen Sie grau, Herr Krause. Einen hel len Ton – h ellgrau , freundlich . Sagen Sie es bitte R osina, wenn sie kommt . Bis au f die Fenster- und Türrahmen. Für die überlegen wir uns etwas anderes. Etwas Buntes, Leuchtendes.“
„Wenn Sie die Frage gestatten, Frau Lampe… – wie lange wollen Sie hier bleiben, wenn Sie die vielen Möbel bringen lassen?“
„Schauen wir mal . Für einen Sommer, vielleicht für zwei. Es ist ja nicht weit weg von Hamburg und meinem Mann. Ich kann jederzeit auf der Autobahn hinfahren und wieder zurück. Kommen Sie, Herr Krause, lassen Sie die Töpfe hier oben stehen. Sie können s ie n achher mit der Sackkarre holen. Die wird ke iner klauen, schwer, wie s ie sind. Wir gehen erst einmal hin unter und sehen nach, ob alles in Ordnung ist. Mein Mann sagt, dass innen alles leer sein soll. Sauber und leer. Die Handwerker haben schon ausgebessert.“
„Wie Sie wünschen.“
„Rosina kommt mit dem Lieferwagen und den Möbelpackern nicht vor drei. Wir haben einige Stunden Zeit. Schauen Sie, wie die Hagebutten hier oben blühen. Als würden sie bis ins Meer reichen, so sieht es aus.“
„Ein Palast ist es nicht“, sagte Rosina. „Frau Minnas Bett passt nicht in ihre Schlafkammer.“
„Hmm?“ Alma saß auf einem gelben Plüschh ocker vor einer beige lackierten Frisierkommode, die die Packer vorübergehend im engen Flur abgestellt hatten , und sah vom Schreiben auf .
„P assen tut es wohl, im Grunde. Aber sie kriegen das Bett nicht durch die Tür. Es ist zu groß, oder die Tür ist zu klein, wie auch immer. Was machen wir nun? “
Mit Brettern befestigte Stufen führten am Steilufer her unter zum Grauen Haus . Sie endeten wenige Schritte vor einem Holzsteg, der Sand, Steine, braunen Tang und schl ießlich das flache, grün schimmernd e Uferwasser überbrückte. Konrad hatte das Geländer bereits ausbessern und ein Holztor montieren lassen. Man wu sste nie, meinte er, wie neugierig die Leute sein würden, wenn sie erst einmal erfuhren, we r die alte Seehütte am Me er als Sommerhaus nutzte. Man du rfte der Presse keinen Gefallen tun. Zu beiden Seiten des Tors hatte Alma rote Geranien in Kübeln ge pflanzt und Wicken, die an den Holzpfosten emporrankten und blühten , rosa, weiß, rot .
Das Haus stand auf Stelzen. Es knarrte und schwankte, wenn das Meer einen schlechten Tag hatte, und der Kronleuchter mit dem bunten Kristallglas aus Chile, den Krause vom Speicher in Altona geholt hatte, pendelte manchmal , als hinge er auf einem schlingernden Schiff. Getrag en wurde das Graue Haus in der Mitte von einem Kami n aus rotem Backstein, auf ein Zement fundament gemauert, das unter den Holzplanken auf den sandigen Meeresboden ragte und dort wie eine Wurzel tief in den Grund ragte. Es war das Rückgrat, das das Graue Haus hielt wie der Stiel einen aufgespannten Sonnenschirm. Im großen Zimmer neben dem Kamin stand ein Schimmel-Klavier aus Wurzelholz. Es war die einzige Stelle, meinte Konrad, die das schwere Instrument halten ko nnte, ohne dass es irgendwann durch den Boden ins Meer brechen würde. An der Rückseite stapelte Rosina Scheite auf und
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