Braeutigame
konzertant beenden?“
„Konzertant, ja. Es geht nicht anders. In Kostümen meinetwegen, aber konzertant, auf der Bühne.“
„Kommen Sie mit, liebe Alma, ich zeige Ihnen alles.“
„So. In Gottes Namen. Steiner, ich gehe jetzt raus – klingeln Sie, ja, kl ingeln Sie –, und ich erkläre e s den Leuten. Konzertant, sagen Sie dem Ensemble. Und – Frau Wilson ? I ch bete zu Gott, dass Sie mir keinen Unsinn erzählt haben mit ihrer Muse in türkis. Sie wissen, was auf dem Spiel steht!?“
„Darling, let her do the job.“
„Bleiben Sie bei ihr, bitte. Gehen Sie in den Graben. Dicht an die Bühne. Dirigieren Sie meinetwegen mit .“
Regina lachte.
„Das machen wir nun. Ich hoffe, sie kann den Part. Ac h ja, die Noten . Frau Lam pe, Frau Wilson, nehmen Sie den Klavierauszug mit. Hier! Und nun los, weg mit Ihnen , rauf aufs Gestell . Holen Sie mir mal den Merzinger ran, Steiner, dass der weiß, wie er zu dirigieren hat, wenn man so ein unbeschriebenes Blatt überhaupt dirigieren kann… Lampe heißt sie…“ Er schüttelte den Kopf. „Und lassen Sie klingeln, Steiner, lassen – Sie – endlich – klingeln ! Uns l äuft die Zeit davon – verdammt... Gott mit uns.“
Es war Wahnsinn, dachte sie, völliger Wahnsinn – was ritt sie nur? Sie stand auf der Bühne, in ihrem Abendk leid, die Schultern nackt, die Knaben rechts neben ihr, sie hatten zu singen begonnen. Es war dunkel; der Morgen wurde ein zweites Mal verkünde t. Sie sah fast nichts, nur kleine, gelbe Lichter an den Notenständer n der Orchesterspieler unter sich. Sie hatte den Klavierauszug aufg eschlagen, aber sie brauchte die Noten nicht, das wenigstens wusste sie. Aber singen? Hier singen? Sie wollte weg. Weglaufen. Im Boden versinken. Warum machte sie solche Sachen? Ließ sie mi t sich machen? Regina war von Sinnen.
Die Sonne ging auf, es wurde langsam hell hinter ihr. Sie sah ihren Schatten, den das Licht nach vorne warf, vor ihre Füße, grau erst, dann dunkler und schwarz, Kopf und Hals am Bühnenrand abgeschnitten. Regina Wilsons ruhige Augen, im Graben, auf sie gerichtet.
Im Publikum wurde gelacht – es lag an den Knaben. Anstatt auf der Stelle stehen zu bleiben, bewegten sie sich auf sie zu. Der älteste, einen halben Kopf größer als die beiden anderen, lachte sie beim Singen an – jetzt zeigte er auf sie – sie kommt sie kommt lasst uns beiseite gehn . Jemand klatschte – die Knaben setzten sich auf die Bühnenkante – war es geplant?, fragte Alma sich, oder improvisierten sie? Sie ließen ihre Beine baumeln und sangen im Sitzen weiter. Damit wir was – sie – mache – sehn...
Alma sang , schwitzend, mit geschlossenen Augen. Die ersten Töne kamen ihr rau vor, große Intervalle, schwer zu treffen, wenn die Stimme frisch war, kaum eingesungen. Durch dich vollend ich meinen Gram… Geduld… Bald.
Wahnsinn tobt ihr im Gehirne , sangen die Knaben vor ihr , sie alberten herum… Selbstmord steht auf ihrer Stirne.
„Wer singt da?“, fragte Hedi van der Moel hinter der Bühne, wo sie in Unterrock und Garderobenmantel auf einer Bahre im Sitzen auf den Transport ins Krankenhaus wartete. „Das ist keine Sopranistin.“
„Doch“, sagte Steiner. „Ist es. Und es ist schön.“
Frau van der Moel schloss die Augen. „Ja, es ist gut“, sagte sie schließlich.
„Eine aus dem Publikum.“
„Erstaunlich.“
Alma verlor das Gefühl für Zeit. Die Szene war vorüber, kaum dass sie begonnen hatte. Sie öffnete die Augen.
Sie sah, dass das Publikum stand, Konrad vorne, Regina im Graben , den Mund weit offen, sie rief ihr etwas zu, das sie nicht verstand, es war zu laut, das Orchester, die Knaben strahlten , grinsten quer durchs Gesicht .
Sie fragte sich, was sie tun sollte. Von der Bühne gehen? Sich verbeugen? Sie sah zur Seite, wo Walter Läufert hinter dem Vorhang stand und mit der Hand eine kunstvolle Verneigung andeutete .
Es blitzte mehrere Male vor ihr, grell.
Das Orchester stand, sie hörte Bögen auf Holz schlagen. Läufert hatte ihre eine Hand ergriffen, der große Knabe die andere. Sie verbeugten sich gemeinsam. Es war unerträglich laut – was war das für ein Schreien? – , und ihr Kopf füllte sich mit Freude . S ie ahnte plötzlich ... wusste plötzlich... – dass sie – für einen Momen t – die schönste Stimme auf d er Erde gehabt hatte.
„Nun übertreiben sie aber, diese Hamburger“, sagte Hedi van der Moel, als sie von hinten in den Krankenwagen geschoben wurde. „Immer trocken und
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