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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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erstes in den Sinn kommt, und welches Attribut würde einer scheinbar verlassenen Pamina, einem tristanesken Liebestod nah, besser stehen als dieses? Im Leben wie in der Kunst liegt das Geheimnis des Erfolgs in dem, was man weglässt, sagte Pablo Picasso jüngst in Warschau. Wie wahr. Das Ergebnis ist schlichte Grazie – eben jene Reinheit, die Alma Lampe am vorgestrigen Abend verkörperte. Dass sie eine schöne Frau ist, reif und in der Blüte ihrer Anmut, kann kein Schaden sein.
    Doch nicht nur sie selbst leuchtete, sondern sie verhalf anderen zu einer Met amo r phose, die unglaublich schiene, hätten wir sie nicht selbst verfolgt. Die Knaben – Siegfried Pichler, Christian zum Roggen und Klaus Südhansen – wandelten sich nach van der Moels Abstieg in die Unterwelt von gelangweilten Gören zu elegischen Engeln, allen voran der kesse Christian, elf, der improvisierte wie ein – nun, es möge ihm zu Kopfe steigen: ein junger Gott.
    Oleg Porschikow als Papageno, ein Exilrusse und bis zum Sturz der flämischen Diva e in farblos-lendenlahmer Narr , in hohen Lagen mitunter anämisch, schaffte mit Frau Lampes Hilfe den glaubhaften Spielbariton . Der Papagena-Freudentaumel ließ ihn plötzlich Mimik und Gestik entdecken und stimmlich ungeahntes Format gewinnen. Eine herrliche Wandlung.
    Der anrührendste Moment: wie Alma Lampe am Ende der Szene mit den Knaben auf der Bühne stand – offensichtlich zum ersten Mal in ihrem Leben in derart öffentlicher Rolle  und unsicher, wer wäre es in solch einer Situation nicht? Als der Saal völlig zu Recht steifes Hanseatentum vergaß und tobte und von irgendwoher in großem Bogen ein Blumenstrauß geflogen kam. Als der Dr uck abfiel von ihr, sie zu zitter n anfing und von der Bühne gehen musste, aber wieder und wieder gerufen wurde. Ist Bescheidenheit wirklich die schlimmste Form der Eitelkeit, wie La Rochef ouca uld mutmaßte? Auch große Geister können  irren. Hier weiß eine Sängerin wirklich noch nicht um ihre wahre Größe. Wir werden, das steht fest, mehr von Frau Lampe hören und, so hoffen wir in dieser Stadt, noch Besseres. Doch für die Sternstunde, die sie Hamburg am vorgestrigen Abend beschert hat, müssen wir ihr schon jetzt für immer dankbar sein. Frau van der Moel wünschen wir eine rasche Genesung. Vor Frau Lampe verneigen wir uns.
     
     
    Walter Läufert schickte am Morgen nach Hedi van der Moels Unfall ein Telegramm nach Kopenhagen, an Frau Wargas. Das Prinzessinnen-Cover kehrte rechtzeitig zur nächsten Aufführung vier Tage später mit dem Zug nach Hamburg zurück. Es war kein Erfolg. Die Wargas hatte einen Silberblick und konnte nicht anders, als ihren Prinzen anschiele n, und der Gesang rührte nicht.
    „Wo ist die Lamp e?“, fragte Joh. Erika Kramer. Schaltet die Lampe ein , lautete die Überschrift ihres Artikels.
    Läufert bekam einen Anruf aus London. Auf der Theater-Seite der Times hätte ein kurzer Bericht gestanden, erzählte er Alma am Telefon: Concert Guest Spontaneously Perfor ms Mozart Aria in Hamburg Theat r e . „Sie wollen ein Interview“, sagte er. „Mit mir und mit Ihnen.“
    Als die Briefe der Hamburger Abonnenten sich auf seinem Schreibtisch stapelten, besuchte Läufert sie im Haus an der Palmaille. Er trug einen Strauß roter Nelken im Arm, als er das Kaminzimmer neben der Eingangshalle betrat, und brachte einen Scheck mit, zweihundert Mark, das Honorar. Er bat sie, die Rolle der Pamina noch einmal zu singen. „ Ganz zu singen“, sagte er. „Nicht nächste Woche natürlich. Aber wir wollen damit an die Presse. Was meinen Sie?“
    Am nächsten Tag schickte er ihr eine Karte, handgeschrieben und persönlich überbracht von Regina Wilson.
    Verehrte Frau Lampe , las Alma, könnten Sie morgen wohl um zehn Uhr (bitte pünktlich) zu einer Kostümprobe erscheinen und uns ein weiteres Mal mit ihrer Pamina beglücken? Es wäre uns – uns allen hier an der Gänsemarkt-Oper, Sängern, Chor, Orchester und Intendanz – Vergnügen und Ehre. Hochachtungsvoll und mit ergebensten Grüßen, stets Ihr Walter Läufert .

Kapitel 21: Das Graue Haus
     
    „Wir sollten es grau streichen“, sagte Alma. Sie stand auf dem Brodtener Steilufer neben dem Wagen und sah auf die Ostsee, die grün unter ihnen lag. Sie hörte die Wellen ans Ufer schlagen, unwirklich langsam. Willi Krause lud zwei schwere Oleander-Töpfe aus dem Kofferraum und stellte sie auf den Boden. Über ihnen kreischten L achmöwen, braune Köpfe, weiße Federn , und balancierten

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