Braeutigame
zu Weihnachten Geschenke von Konrad und von mir , auch Geld natürlich . Sie will es nicht anders, meine ich.) Diese beiden Kostüme wechselt sie jeden Sonntag. Beide sind hoch geschlossen am Hals, und sie trägt Blusen mit langen Ärmeln und selbst im heißen Sommer dunkle Strumpfhosen, die wir jetzt überall bekommen, auch wenn sie teuer sind. Aus einem künstlichem Stoff sind sie, Nylon (aus Amerika).
Bei der Kleidung ist Rosina einfach, aber dafür sind ihre Frisuren mit der Zeit immer komplizierter geworden. Sie steckt das Haar hoch und weg mit Bändern und Netz und Dutt und ich weiß nicht , was noch allem , denn sie hat sehr langes Haar inzwischen. Manchmal ist es fast unterhaltsam, was sie auf dem Kopf anstellt. Eine Brille trägt sie, breit und geschwungen, wie man sie heute hat , auch die Frauen im Fernsehen .
Was sie an ihren freien Tagen macht, weiß ich ni cht. Sie hat eine enge Freundin in Hamburg, die sie mit dem Zug besucht . Für Rosina ist es hier in Brodten „immer ein bisschen wie Urlaub“, sagt sie. Sie kocht und macht natürlich, aber ihr kommt es vor, als hätte sie viel Zeit. Im vergangenen Sommer h at sie ein paar Tage lang das Malen angefangen , als es sehr warm war. Blümchen am Strand, Strand mit Blümchen, auch eine Scholle, bevor sie sie am Abend in der Pfanne briet, aber der Fisch gelang ihr mit dem Pinsel nicht gut. Es lag an den rostbraunen Punkten auf der Haut, sagte sie , es war schwierig, die Flecken gut zu treffen .
Wir sprechen selten über die Auftritte. Es ist Rosina etwas peinlich, weil sie nicht viel von Musik und Gesang versteht. Aber sie ist stolz, es ist unverkennbar – stolz, hier im Grauen Haus zu leben , die unermüdliche, treue Weggefährtin von Alma Lampe, das ist ihre Rolle. In den Lübecker Zeitungen haben sie von der Großen Lampe geschrieben. Sie sind stolz (genau wie Ro sina), wohl weil unser Haus nicht weit von Lübeck im Wasser steht. Manchmal h olt Rosina die Mappe mit den Zeitun gsartikeln und Fotos heraus und vertieft sich darin. Da zieht sie Kraft daraus und denkt viel nach, über ihre Rolle, i hre Wichtigkeit. Manchmal frag e ich mich , ob sich ihre Gedanken oft abwechseln.
Minna und Rosina schauen ge meinsam viel fern. Wir haben einen Apparat hier, der in der Küche steht. (Ich möchte ihn nicht in der Stube haben, wo er mich stört.) Wenn am Abend noch etwas zu tun ist, lassen sie das Programm nebenher laufen, und Minna trinkt ihren geliebten Caro-Kaffee, der ihr noch immer besser schmeckt als richtiger Bohnenkaffee. Manchmal bügelt sie dabei, aber Rosina sieht es nicht gern. Sie findet, dass die Wäsche zu ihrer Arbeit gehört, und möchte sie sich nicht wegnehmen lassen. Neulich haben sie laut über das Programm gestritten, über eine Sendun g, die sie machen. Was bin ich , heißt sie, wo es um die Berufe von fremden Leuten geht , aus ganz West-Deutschland und aus der Schweiz. Dabei gerieten sie aneinander wegen irgendeiner Kleinigkeit, und nun stell dir vor: Minna hat Rosina entlassen . Sie hat wirklich gesagt: „Sie sind entlassen“, Rosina hat es mir am nächsten Tag erzählt. Natürlich hat Rosina nur gelacht , auf höhnische Weise, die auch nicht angenehm war . Sie ist ja selbst eine Kesse & hat Haare auf den Zähnen.
Im September, wenn es geregnet hat, wollen wir wieder in die Pilze gehen, haben wir beschlossen. Es ist eine gute Gegend dafür. Wir haben ein Wäldchen hier, zwei oder drei Kilometer entfernt, wir nehmen die Fahrräder und setzen Pharao vorne in einen Korb am Lenker . Auch Marmelade werden wir einkochen, aber nicht viel, es gehört ja kein Obstgarten zum Haus. Krause wird uns die Beeren bringen, die in Altona wachsen, und ein paar Äpfel für Saft und Gelee.
Nun ist es sehr spät geworden, lieber Heinrich. Eines nur noch: unser Däne. Denn eigent lich ist unsere Ménage à trois manchmal eine M énage à quatre ( zu viert ) . Er war früher Kapitän und hat rote Haut und einen silberweißen Vollbart. Minna meint, dass Männer mit Bart etwas zu verstecken haben, so ist sie. Wenn Krause nicht gerade da war, kommt u nser Kapitän mit einem Bo llerwagen vorbei und brin gt uns Holz und frische Fische , Dorsche, Schollen, Hornhechte, Heringe, große Taschenkrebse, je nachdem, was er gefangen hat. An sechs Tagen in der Woche fährt er auf die Ostsee, von Montag bis Sonnabend, da fängt er Fisch, und sonntags ruht er aus , wie der liebe Gott es einst hielt . Er hat ein Boot mit e inem kleinen Motor, mit dem er rausfährt. Er
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