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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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spröde, bei allem, was sie tun, und plötzlich gibt es kein Halten mehr.“
     
    Rosina saß mit der Zeitung au f den Knien im Rauchzimmer in einem Sessel. Der Kaffee auf dem Tisch war kalt geworden.
    „Frau Alma, was sind Sie nur für eine mutige Person “, sagte sie kopfschüttelnd . „ Ich kann es immer noch nicht glauben.“
    „Ach, Rosina, die Leute sagen alle, ich sei so mutig gewesen. Aber was ist schon Mut? Mut geht immer mit Angst zusammen. Nur wer Angst hat und etwas tut, trotz seiner Angst etwas tut, der ist mutig. Was hatte ich für eine Angst, als ich ob en stand, auf der Bühne. Ich fürcht e mich immer noch, wenn ich daran de nke. Wie leichtsinnig ich war, w ie naiv. Wie schief es hätte gehen könne n . Aber vielleicht war ich auf meine eigene Art tatsächlich mutig. Ich wollte nur singen, dieses schöne Stück.“
    „Ich bin so stolz auf Sie. Meine Herrschaft und singt in der Oper, noch dazu d ie von Hamburg, in so einer groß en Stadt. Sie können wirklich stolz auf sich sein.“
    „Meinen Sie?“ Alma lächelte.
    „Aber ja! Das steht außer Frage. “
    „Stolz ist nie gut , Rosina. Stolz brachte die Engel zu Fall.“
    „D u meine Güte, was reden Sie denn? – Schauen Sie, Willi Krause hat die anderen Zeitungen gebracht. Hier ist etwas in der Abendzeitung. Etw as Großes… geh mir ab, ganz vorne auch noch. “ Rosina zeigte ihr die erste Seite. „Och, das ist von der Frau Doktor höchstpersönlich. Die muss ganz schwierig sein.“
    „Welche Frau Doktor?“
    „Kramer h eißt sie. Das ist deren Schreiberin für das Kulturelle. Hier. Ich lese Ihnen vor. Frau Lampe tritt ins Rampenlicht , steht oben drüber. Und… weiter hinten ist noch ein Kommentar von ihr. Von Frau Doktor J O H Punkt Erika Kramer. J O H Punkt ist Johanna, sie kürzt es immer ab, fragen Sie mich nicht, warum. Die muss sehr eigen sein, die Dame. Hier ist ein Foto von Ihnen auf der Bühne. Zwei. Nein, drei. Und hier die van der Moel.“
     
    HA Z Selten ereignen sich in unserer notdürftig hergerichteten Oper Sternstunden, oder nie. Die Zeiten, in denen ein Mahler, ein Händel oder ein Telemann den Hamburgern Meisterhaftes darboten, sind in die weite Ferne der Musikgeschichte gerückt. Vorgestern aber durften wir Zeuge eines solchen Moments werden, in dem Alma Lampe, die Ehefrau eines angesehenen Kaufmanns der Hansestadt, debütierte. (Unser Bericht Seiten 1 und 9).
    Mozarts Zauberflöte ist bekanntlich eine Allegorie: der Kampf zwischen Gut und Böse als Sinnbild der menschlichen Existenz. In den vergangenen Wochen schien es mitunt er, als würde dieser Konflikt auf den Seiten dieser Zeitung ausgetragen. Auch ägyptische Prinzessinnen können und dürfen korpulent sein, sicher; Leser haben uns darauf zu Recht hingewiesen. Doch obgleich Klangkörper und Stimme beim Musiktheater die Hoheit haben sollen, kann corporale Fülle die Agilität empfindlich behindern. Hedi van de r Moel, Belgiens Diva, musste die s vorgestern Abend am eigenen Leib erfahren.
    Kurt von Fleißingens Inszenierung wird weder als Revolution noch als Revolte in die Musikgeschichte eingehen – zu malerisch und beengt das Bühnenbild, zu herkömmlich altbacken Ensemble und Darstellung. Wäre da nicht der Kampf zwischen Gut und Böse, den v. Fleißingen im Finale als Kampf von Dunkelheit und Licht umdeutet, im wahren Sinne des Wortes. Hedi van der Moel wurde als Pamina Opfer düsterer Mächte und fiel in den Orchestergraben. Die Verletzungen sind ernst, allerdings, so hören wir, vom Gefährlichen oder gar Lebensgefährlichen weit entfernt.
    Hedi van der Moels Fehltritt war, siebenundvierzig Minuten später, Alma Lampes Auftritt. Sie sang außerordentlich, wenngleich keineswegs perfekt, wie uns einige Blätter (deren Reporter, das können wir versichern, nicht anwesend waren) weismachen wollen. Doch es war besser als gut, unter den Umständen. Allein die ersten Töne, die Frau Lampe auf Bühnenbrettern zum Besten gab: Du also bist mein Bräutigam, zu singen „dem Wahn sinn nah, voll Todessehnsucht“, wie Schikaneder in einem Brief an Mozarts Stanzerl schrieb. Frau Lampe beging einen Stilbruch: Sie sang den Auftakt des Finales nicht dramatisch, vibririerend, hysterisch , wie die Belgierin und viele andere Künstlerinnen es bislang in bew ährter Manier taten, und damit manieriert. Sie sang es eher wie eine Trauerarie, ohne jeden stimmlichen Schmuck. Man darf sagen, dass die Welt so etwas noch nicht gehört hat. Reinheit – das ist das Wort, das als

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