Braeutigame
Treibholz, das sie mit Krause am Strand sammelte, weiß, ausgebleicht von der Sonne, glatt geschmirgelt von Sand und Steinen. Es roch gesund im großen Zimmer , nach Algen und Salz.
Das Haus zog , selbst im Sommer; der Wind hörte nie auf. Auf der Rückseite, dem Meer zugewandt und vom Ufer aus nicht einsehbar, lag eine tiefe Veranda, die Konrad s erste Frau verglast hatte, oben mit kleinen, bunten Scheiben, darunter mit hohen, schmalen Fenster, eines neb en dem anderen, wie in einem Kirchenschiff .
Grau sollte es sein, und grau wurde es, an einem einzigen Tag. Sonne und Wind trockneten die drei Farbschichten, die eine Malertruppe aus Travemünde unter Willi Krauses L eitung auftrug, in wenigen Stunde n . Die Rahmen der Fenster und Türen und die Innenwände strichen sie himmel blau.
Konrads alt e Seehütte hatte sechs Zi mmer: den großen Verandasalon mit dem Kamin, vier kleine Schlafräume und, im vorderen Teil neben dem Ein gang, die Küche und eine Speise kammer. Rosinas Zimmer lag zur Steilküste und war schattig und kühl, hatte aber ein eigenes Bad mit einer Messingb rause. Alma schlief in einem Alkoven, auf drei Seiten umrahmt von Fenstern. Von ihrem Zimmer, nach Süden gelegen , führte eine breite Flügeltür, vor der Pharaos Schlafmatte lag, auf die Veranda. Minnas Kammer lag auf der anderen Seite, nach Nordosten. Sie teilte eine Wand mit Rosina, so dass sie, wenn sie nachts etwas brauchte, im Liegen mit den Knöcheln an das Holz klopfen konnte. Auf dem Dach stand ein rundes, mit Holz verkleidetes Wasserreservoir, das über Rohre mit Küche und Bädern verbunden war. In der Mitte ragte der Ka min in den Himmel, auf dem ein grüner Kupferablauf wie eine Krone saß . Davor stellte Alma Korbstühle, Liegen und eine Sonnenmarki se auf. Bei Sturm schwankte es hier oben am stärksten, wenn die Wellen gegen Strand, Klippen und die Pfosten , auf denen das Haus ruhte, schlugen. Alma mochte diesen Ort. Sie s aß hier bis in den späten Abend mit Windlichtern und Tee, eingewickelt in Strickjacke und eine Alpakadecke, und las, ungestört. Minna woll te die steilen Holzstufen, die von der Veranda an einer Wand des Hauses aufs Dach führten, nicht steigen.
„Was mac hen wir mit dem Bett, Frau Alma?“ fragte Rosina. „Frau Minnas Bett? Sollen die Män ner es mit zurück nach Hamburg nehm en?“
„Wo soll meine Schwester dann schlafen, wenn sie kommt?“
„Auf der Couch, fürs e rste…?“
„Nein. Das will sie sicher nicht. Haben die Packer Werkzeug hier?“
„Sicher wohl . Hammer, Schraubenzieher, Zangen, was man braucht.“
„Wir brauchen eine Säge. Mit e ine m große n Blatt . Einen Fuchsschwanz. Sagen Sie Herrn Krause, er soll sich darum kümmern. Wir sägen es einfach durch in der Mitte. Und er muss Holzbalken auftreiben. Für eine Art Podest, dass es nicht kipp el t. Oder wir befestigen es mit Schrauben an der Wand, wenn wir ein Stückchen abgeschnitten haben.“
„Das schöne Bett!“
„Ach, das alte Teil. Ein Bett ist nur ein Bett, Rosina. Sagen Sie Minna gar nichts davon. Ich glaube nicht, dass sie es merkt.“
Brodten, 28. Juni 1964
Mein Heinrich,
wir sind an der See, den ganzen schönen Juni hindurch: Sonne, Wellen, es ist ein Paradies. Wir haben uns eingerichtet – eine M énage à trois, wie der Franzose sagt: Minna, Rosina und ich, dazu unser Pharao natürlich, der jeden Tag am Strand läuft, was ihm sichtlich gut bekommt. Er frisst wieder, und seine Knochen scheinen besser zu sein & fester zu werden. Auch sein Fell wächst wieder, es war zuletzt ganz struppig. Willi Krause kommt jede Woche einmal vorbei. Ko nrad schickt ihn, er will wissen, was wir machen. Aber Herr Krause ist ein guter Mann, zuverlässig, und ich glaube nicht, dass er viel zu erzählen weiß, wenn er hier alles her gerichtet hat, den Wocheneinkauf gemacht hat und nach Altona zurückfährt. (Sie sind in Hamburg noch immer am Kontor zugange, in der Speicherstadt. Zwei Jahre ist die Flut nun her, und noch immer ist nicht alles gemacht. S chlimm.) Was sollte Krause meinem geschäftigen Mann von unserem einfachen Leben hier erzählen? Sie schwimmen und schlafen viel, so etwa, denke ich. Frau Alma singt, liest und schreibt . Frau Minna grummelt. Konrad kommt nicht hierher. Es ist die Erinnerung an seine erste Frau, glaube ich . Ich kann nicht sagen, dass ich Konrad vermissen würde . Ich denke, Minna und Rosina geht es nicht anders. Soll niemand behaupten, dass unbedingt ein Herr im Haus sein muss. Wir
Weitere Kostenlose Bücher