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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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kommen gut zurecht.
    Mitte des Monats habe ich Herrn Krause gebeten, Töpfe und Schalen aus Lübeck zu bringen, in allen Größen und Formen, Mutterboden natürlich auch, es gibt hier nur Sand und Steine. Ich habe gepflanzt, schöne Blumen zumeist, und es hat alles gekeimt & es wird, so hoffe ich sehr, gedeihen und blühen. Rosina hat mir geholfen. Sie mag Blumen auch. Immer haben wir Blumen im Haus. Ich glaube, sie kann genauso wenig ohne sein wie ich. Es ist eine einfache Freude, die wir uns machen – uns gönnen. E s sind immer die einfachen Dinge, die uns Menschen das größte Glück verschaffen in diesem Leben .
    Nun muss ich etwas Unangenehmes schreiben: von meiner Schwester Minna. Sie ist mit der Zeit ein rechter Griesgram geworden, unwirsch und mürrisch. Sie ist jetzt Mitte vierzig, es ist vielleicht der Lauf der Dinge. Blass sieht sie aus, fast farblos. Sie raucht viele Zigaretten, und ihr wachsen ein paar dunkle Härchen auf der Oberlippe. Ich habe noch nichts gesagt. Sie muss sie wegmachen. Wegen des Qualmens haben wir schon gestritten. Oft hat sie wohl düstere Gedanken, und ich habe schon gedacht (abe r nicht gesagt!), dass sie hätte heiraten sollen, als es noch ging. Aber dann: W elcher Mann hätte es aushalten s ollen mit ihr ? Immer hat sie ein Wehwehchen, immer leidet sie, und dann redet sie vom Tod, als würde er gleich morgen früh kommen und sie holen. (Rosina und ich machen , obgleich es gemein ist, unsere Scherze damit, Herr Krause auch.) Sie war neulich beim Arzt – was sage ich: bei mehreren Ärzten. Wegen einer Krampfader, die sie hat, und weil ihr Unt erleib angeblich ständig schmerzt . Sie hat Tabletten verschrieben bekommen und nimmt abends heiße Bäder mit Melissengeist , das lindert die Schmerzen, sagt sie. Die Krankheit offenbart den wahren Menschen, fürchte ich, und wenn man nicht krank i st, sich aber krank fühlt, zeigt das auch viel.
    Aber sie hat auch Gutes an sich, sie ist doch meine liebe Schwester, und Geschwister soll man ehren – mit wem verbringt und teilt man im Leben denn die meiste Zeit? Sie ist manchmal ausfallend und direkt, doch nie nachtragend. Ich glaube, ihr Gedächtnis ist zu zerstreut, um nachtragend zu sein. Sie hat Streit immer gleich danach vergessen.
    In der vergangenen Woche saß ich lange mit unserer Rosina zusammen. Es war ein warmer Abend. Wir hatten es uns auf der Glasveranda gemütlich gemacht und beobachteten das Meer unter uns, in dem brauner Tang und Qualle n trieben, die Art mit den vier blauen Kreisen im Körper, die nicht giftig ist. Da erzählte sie ohne Anlass, wie es ihr und ihren Lieben im Krieg ergangen war. Ich wusste natürlich, dass sie alles verloren hatte (sie stammt von der Memel). Was genau geschehen war, hatte sie aber immer umschifft, und nun erzählte sie es leise, während sie Kirschen entsteinte. Ihre Schwester, die einzige, war mit der Mutter ins Feuer gegangen. Wie verzaubert sahen sie aus, sagte Rosina. In Wilhelmsburg, wo sie besonders viel bombten, wegen der Industrie und weil es noch im Hafengebiet lag. Rosina wurde von einem Jungen am Kleidchen festgehalten, den sie nur flüchtig vom Se hen kannte. Neun oder zehn Jahre muss er gewesen sein, au s ihrer Nachbarschaft einer, ein Pimpf, wie sie damals sagten. Blond war er gewesen, das erinnerte sie noch genau, und er hatte immer Tiere dabei gehabt, Kröten , Regenwürmer und Mäuse, mit denen tröstete er sich irgendwie. Selbst in den schweren Tagen damals war er immer froh gewesen, dieser Junge, und der muss ihr dann das Leben gerettet haben. E r hielt sie am Kleid fest, am Rücken, und mit seinem anderen Arm klammerte er sich an einen Laternenpfahl. Sie kennt nicht einmal seinen Namen. Aber die Mutter, also die ältere Frau Lemke, ging ins Feuer mit der Schwester. Es war der große Feuersturm, der zog sie a n, saugte sie in sich hinein, man konnte nichts dagegen tun . Wenn der Fe uerwind einen gepackt hatte, flog man einfach, sagte sie, wie die Engel. Da hielt einen nichts. Es war die Luft, die einen mitnahm und fort trug. Man flog in die Glut und war nicht mehr. Ih r Va ter kam nie zurück. Er war auf einem U-Boot gewesen.
    Rosina ist die älteste von uns dreien, eine gute Seele. Ich bin sehr froh, ihr in diesem Leben begegnet zu sein. Gut, ihre Eigenarten hat sie auch, aber die haben wir alle, es gibt, was Menschen angeht, nichts Perfektes. Sie besitzt nur zwei Kostüme. (Es könnten sicher mehr sein. Ich weiß, wie sie bezahlt wird, und sie bekommt zum Geburtstag und

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