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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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trägt immer eine a lte Fock mütze und zieht sich unseretwegen extra ein wollenes Jackett an, um passabel auszusehen. An den Füßen trägt er aber alte Schuhe, die noch nie geputzt worden sind, so sehen sie aus. Er soll einmal einen zwei Zentner schweren Anker auf dem Rücken die Steilküste hochgeschleppt haben, sagt unsere Bäckersfrau. Ich mag es wohl glauben. Er ist ein starker Mann mit einem breiten Kreuz. Jø rgensen – so heißt er – sagt, er findet noch immer mit Sonne, Mond und Sternen seinen Weg, selbst wenn er mit dem Fahrrad übers Land fährt. Ich weiß nicht, ob es stimmt oder ob er nur einen Jux macht mit uns Frauen . Aber ich mag ihn, und ich glaube, er mag uns auch . Er angelt, wie du früher geangelt hast, es bereitet ihm Freude. Im Meer natürlich, denn wir haben keinen Kogälnik.

 
     
    Brodten, Sonntag, 5. Juli 1964
     
    Geliebter Heinrich,
     
    es geht uns gut an der See. Der hohe Himmel hier tut etwas mit einem. Er öffnet einem die Augen und setzt die Füße in Bewegung. Man rostet nicht ein, an Leib und Seele nicht. Das tut uns allen gut.
    Wir sind zu dritt, Minna, ich und Rosina (und unser kleiner, alter Pharao). Morgen Vormittag kommt wieder unser guter Krause. Ich habe eine Liste gema cht mit allem, was er tun muss.
    Ich glaube, Rosin a hat den Dänen hier, Kapitän Jø rgensen, lieb gewonnen. Ich hatte ihm vor drei oder vier Jahren einmal eine alte Truhe abgekauft, die er kleinhacken und im Ofen verbrennen wollte, so hatten wir uns kennengelernt. (Ich habe sie noch. Sie sieht aus wie die alte Truhe, die Oma Mathilde in ihrem Zimmer stehen hatte. Ich bewahre Wintersachen da rin auf, wie wir es damals auch machten.) Rosina steckt sich nun immer die Haare schön, wenn sie denkt, dass Jø rgensen kommt, und sie wird scheu und kümmert sich rührend um ihn, backt Kuchen usw. Wenn alte Scheunen brennen, heißt es ja. ..
    Ich singe viel – das hintere Zimmer (wo das Klavier steht) ist geeignet dafür, und es ist befreiend, auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Konrad ist manchmal gereizt, wenn ich in Altona probiere. Viel singen, wenig reden, das mag kein schlechtes Rezept für dieses Leben sein. Ich singe ja nicht, weil ich glücklich wäre, sondern um glücklich zu werden.
    Hans-Joachim Si edenhans war am Freitag hier & blieb eine Nacht im Hotel & kam zum Frühstück noch einmal. Er ist das, was man einen Agenten nennt. Er kümmert sich um Anfragen, die ab und zu kommen, und regelt das Finanzielle. Er brachte ein herrliches Tonband mit, Lieder von einem F ranzosen, Jos. Canteloube. Er stammte vom Land & seine Musik drückt es herrlich aus. Ich saß mit Herrn Siedenhans an unserem Küchentisch, das Tonbandg erät auf unserer alten Tisch decke, und die Musik verwandelte mich. Ich möchte die Lieder singen, aber sie sind in einer unmöglichen Sprache, sagte er. Vielleicht gibt es eine Übersetzung.
    Heute früh las ich die Zeitungen, und ich fiel in ein Loch aus Angst. Auf ihrer letzten Seite brachten sie einen Artikel über einen vermissten Soldaten, der erst 1960 zu seiner Familie zurückkehrte, nach Essen. Seine Frau lebte noch, aber sie war mit einem anderen verh eiratet. Es bringt viel Dunkles in mir hoch. Hoffnung auch, aber so große Angst. Ich weiß nicht, ob Du es verstehen kannst. Ich habe überlegt, ob ich noch einmal eine Vermisstenanzeige schalten soll, in Hamburg und in den großen Zeitungen in Deutschland . Aber ich werde es erst wieder zu Deinem Geburtstag tun, kommenden Februar. 46 wirst Du im nächsten Jahr. Wie Du wohl au ssiehst? Vielleicht hast Du schon eine Glatze? Ma nchen Männern geht das Haar früh aus.

 
     
    6. Juli 1964
     
    Ich habe von Dir geträumt. Sind nicht die Menschen, die im Schlaf unaufgefordert zu uns kommen, ohne dass wir sie weg schicken könnten, die wichtigsten in unserem Leben? In der Nacht sprich t das Herz die Wahrheit, glaub e ich. Dass die, die uns im Traum begleiten, un s nie wirklich verlassen haben . – Ich träumte also von Dir, Heinrich, und es war wunderbar und die Hölle zugleich, als ich aufwachte. Ich vermisse Dich, ich kann es kaum in Worte fassen, es sprengt mir manchmal immer noch das Herz, wenn ich im Stillen, Dunklen hier sitze.
    Konrad rief an. Wir redeten kurz, es gibt wenig zu sagen. Er spricht länger mit Rosina als mit mir, wegen des Haushalts natürlich nur. Ich weiß nicht, ob ich ihn noch lieb hab e. Ich glaube nicht. Ich habe nicht mehr die Kraft. Wir haben von Anfang an immer getrennte Schlafzimmer gehabt,

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