Braeutigame
eingebüßt. Tante Minna ist nichts gegen dich. Darf ich reinkommen.“
„Natürlich .. . bitte. Der Tee zieht gerade. Kuchen habe ich auch. “
„Wo sind die anderen? Sind Tante Minna und deine Zugehf rau nicht da?“
„ Minna ist mit dem Bus nach Travemünde gefahren, und Rosina hat einen freien Nachmittag.“
„S chade. Dann sehe ich Tante Minna gar nicht?“
„Bleibst du nicht zum Abendessen?“
„Ich glaube nicht. Ich muss heute noch zurück nach Hamburg.“
„Ah…“
„Wir haben doch jetzt ein bisschen Zeit.“
„Rosina wollte Tatar machen. Das isst du so gerne , dachte ich.. .“
„Mutter – lass mal. Lass einfach gut sein.“
„Ich hole den Tee. Setz dich , wo du willst . Mach es dir bequem.“
„Was machst du so?“, fragte sie, als sie mit dem Tablett zurückkam und Tee einschenkte. „ Gibt es etwas Neues? Hast du dich nun entschieden , was du machen willst? Der Wehrdienst ist fast vorbei… “
„Ende August.“
„Und dann? Was willst du dann machen?“
„Ich weiß noch nicht genau .“
„Hast du mit deinem Vater… – mit Konrad darüber gesprochen?“
„Nur kurz.“
„Ihr wolltet euch doch aussprechen.“
„Hmm.“
„Ist es schwierig mit ihm?“
„Wie immer.“
„Was interessiert dich denn?“
„Film.“
„Was?“
„ Filme eben. “ Theo lachte. „ Grace Kelly und Cary Gr ant – hast du mal Ingrid Bergma n gesehen?”
„Persönlich? Nein.“
„Nein. In einem Film meine ich. Casablanca oder so. Anastasia .“
„Ich glaube. Ja. Sie ist sehr schön, nicht?“
„Eine große Schauspielerin. Schwedin. S o alt wie du. Ein oder zwei Jahre älter vielleicht .“
„Aber Film – das ist nichts Richtiges. Da kann man doch kein Geld mit verdienen.“
„Oder Musik. Rock ’n’ Roll – das ist stark.“
„Ach du liebes b isschen.“
„Du bist auch in der Musik. So schlecht kann man wohl nicht davon leben, sieh dich um. Außerdem: Ich muss nicht für Geld arbeiten.“
„ Wer sagt so et was?“
„Papa.“
„So?“
„Er sagt, ich kann machen, was ich will.“
„Solange du damit Geld verdienst, ja. Das sagt er und nichts anderes. Da waren wir uns einig.“
„L ass uns von was anderem reden. Es ödet mich an. Geld, Geld, Geld... “
„Meinetwegen. Aber das löst die Sache nicht. “
„Wenn ich durch bin mit der Bundeswehr , will ich nach Russland fahren.“
„Ausgerechnet? Warum?“
„Ich will es einfach sehen. Du weißt doch, wie es war, früher in der Schule.“
„Ich finde ... D as scheint mir eine schlechte Idee zu sein, Theo . Du bist doch kein Kommunist geworden…? “
„Du hast mir immer erzählt, dass mein Vater da gefallen sein soll.“
„Ja. Er ist dort im Krieg geblieben.“
„Kann man nicht sein Grab besuchen? Ich könnte es suchen. Irgendwo muss es ja sein.“
„Da gibt es nichts zu suchen. Er hat kein Grab. Und wenn, dann eines ohne Namen.“
„Kannst du… – würdest du mir etwas Geld geben, damit ich es versuchen kann? Du hast doch genug Geld hier, oder?“
„Ich? Du hast Vorstellungen. Hier ist kein Geld. Und selbst wenn.“
„Was machst du denn mit deinem ganzen Geld, Mutter?“
„Das geht dich üb erhaupt nichts an! Was ich mit meinem Geld mache... Was nimmst du dir heraus!?“ Sie stand auf, wütend.
„Es kostet nicht viel. T ausend Mark vielleicht.“
„Das nennst du nicht viel? “
Theo zuckte mit den Achseln.
Alma sah aus dem Fenster, aufs Meer. Am Horizont sti eg Rauch auf: die Schwedenfähre auf dem Weg nach Travemünde zum Skandinavienkai.
„Zeit ist wichtiger als Geld, Theo. Nicht viel, aber wichtiger.“
„Das wieder.“
„Theo“, sagte sie langsam, ohne sich umzudrehen, „wir müssen miteinander sprechen.“
„Tun wir doch. Worüber willst du noch sprechen?“
„Noch etwas anderes. Es ist wichtig.“
„Ja. Und? Was willst du besprechen.“
„Du wirst jetzt bald zwanzig.“
„Ja, doch, Mutter. Ich weiß es. Und? Soll ich mir was wünschen?“
„Dein Stiefvater weiß nicht, dass du hier bist – dass wir darüber reden.“
„Aber worüber denn?“
„Über deinen Vater. Deinen richtigen Vater. Den in Russland.“
„Ist das so dramatisch ? Wir müssen es doch nicht anmelden, wenn wir uns unterhalten wollen.“
„Nein. Das stimmt.“
„Also, früher haben wir uns viel mehr in der Wolle gehabt, Papa und ich. Heute sehen wir uns doch kaum.“
„Es geht um Heinrich.“
„… und den Krieg und die Ostfront. Ja, ja, ja. Was ist mit ihm? Ich weiß alles
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