Braeutigame
eine“, sagte Freier jedes Mal .
„Der Tag des Herrn ist heilig“, sagte Johann Pomreinke. „Aber nirgends steht in der Bibel geschrieben , dass die Heiligkeit vierundzwanzig Stunden haben muss.“ Damit meinte er, dass in Gottes Plan auch am Sonntag gearbeitet werden durfte, ein wenig. S icher gefiele es dem Heiland nicht, wenn ihre Freunde, die Pferde, Hunger und Durst litten und die Milch den Kühen die Euter so schwer machte, dass sie brüllten. Die Tiere durften mit dem Segen Gottes versorgt werden, verkündete er von der Kanzel; gekocht werden musste natürlich; auch den Hof konnte, wer wollte, am Morgen vor der Stunde fegen, schließlich sollte auch am Sonntag alles seine Ordnung haben – gerade am Sonntag; denn ging e erst die Reinlichkeit verloren, klopfte bald der Satan an die Tür. Mit diesen Arbeiten sollte es aber sein Bewenden haben, predigte Pomreinke: „Alles in Maßen, spricht der Herr. Die Ruhe am siebenten Tag ist heilig für den Mensch en und für das Tier. Und siehe“, sagte er, „es ist gut und gerecht so.“
Auf dem Hof an der Kälber Drift waren die Sonntagsaufgaben und -p flichten verteilt. Mischka und Georg versorgten am frühen Morgen die Pferde, Kühe und Schweine , Jakob und Lilli fütterten Geflügel und Kaninchen, Oma Mathilde har kte zwischen Tor und Beeten, und Daniel Freier setzte sich – in Pastor Pomreinkes Augen begann an dieser Stelle die Sünde – für eine Stunde m it Zuckerk affee in sein Kontor, um mit aufgekrempelten Hemdsärmeln die Briefe und Rechnungen der vergangenen Woche durchzusehen. Hedwig besuchte sonntags ihre Eltern in Kulm, so dass Alma oder Minna die Zubereitung des Mittagessens übernahmen. Die Mädchen wechselten sich seit dem Tod der Mutter ab: Eine kochte; die andere zog sich ein gutes Kleid über, machte sich die Haare, putzte die Schuhe und ging mit der Familie den Breiten Weg hinunter zum Ring, zur Stunde. Manchmal nahmen sie den Wagen, wenn Oma Mathilde nicht gut auf den Beinen war. A ber das Einspannen machte Arbeit und rief daher Pomreinke, der an der Kirchentür seine Gemeinde begrüßte, auf den Plan. Es war besser, zu Fuß zu Gott zu gehen.
Nach dem Essen in der Sommerküche war es soweit: Während Daniel Freier, Mischka und Oma Mathilde Mittagsruhe hielten, zogen die Kinder in ihren Zimmern die guten Kleider aus und leic hte Sommerhemden und Blusen an . Lilli lief barfuß durch den Hof und holte das Fa hrrad aus dem Wagenschuppen, das einzige der Familie . Jakob setzte sich mit einer Angelrute in der Hand auf den Gepäckträger, dessen Gestänge ihm in den Hosenboden schnitt, und hielt sich mit der anderen am Sattel fest , während Lilli im Stehen in die Pedale trat und lenkte . Alma und Minna nahmen Arthur zwischen sich und ließen ihn auf dem Weg zum Kogälnik Schaukelsprünge machen. Am Ende der Kälber Drift bogen sie links zur Gänsewiese ab, wo ein Seitenarm des Kog älniks einen Teich bildete. An einem Ufer standen zwei Klapperstörche im Schilf, die Jagd auf Blindschleichen und Molche machten. Das andere war flach und sandig, bevölkert von scheuen Enten, die den Kindern aus dem Dorf auswichen, und selbstbewussten Gänsen, die es nicht taten.
Am Ufer wan dten sie einander den Rücken zu und ließen Hemd und Hose auf den Boden fallen. D ann liefen sie schnell, die Hände vor der Stelle, in den Teich . Georg war als erster im Wasser. Minna ließ sich schon im Flachen, wenige Schritte vom Ufer, vornüber kippen, spritzte und prustete, kroch auf den Knien voran, schwamm ins tiefere Wasser, strich sich mit den Händen die offenen Haare nach hinten, als ihre Füße den sandigen, von Pflanzen bewachsenen Grund gefunden hatten , und machte mit ihrem Loch im Mund den Walfisch . Lilli stolzierte in kleinen Schr itten vorwärts und ließ sich , ohne einen Laut von sich zu geben, bis zum Hals hineingleiten. Jakob kreischte, hüpfte vorwärts und spritzte Lilli nass, bevor er mit dem Kopf zuerst, die Hände auf dem Rücken, im Wasser verschwand. Alma hielt Arthur an der Hand, der noch nicht schwimmen konnte, und blieb i m flachen Wasser, in dem Fische, kürzer und dünner al s ein kleiner Finger, an den Beinen nibbelten. Sie machte sich erst die Arme nass, dann setzte sie sich im Unterhemd neben ihrem Bruder ins Wasser und holte tief Luft.
„Uhh“, rief sie und schüttelte sich. „Ist das frisch.“
„Uhh“, machte Arthur sie nach. Er kniete im flachen Wasser und rieb Sand zwischen den Händen. Vor ihnen am Ufer, wo das Gras
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