Braeutigame
mutig ?“
„W ürde ich nicht sagen.“
„Hast du Angst gehabt?“
Opa Giese nickte. „Hmm. Viel Angst hab e ich immer gehabt, als ich jung war. Im Krieg. “
„Du?“
„Ich. Und alle anderen auch. Angst gehört dazu im Leben – kommt keiner drum herum. Nur ein e s will ich euch sagen: Mut ist ja nicht, wenn man keine Angst hat. Mut ist, wenn man trotz Angst was tut. Wenn man et was mit Angst tut, das ist richtig mutig. M-mmh. Na, wisst ihr, da s klingt noch mal richtig klug, was ich euch hier verzählen tu… Vielleicht war ich dann sogar mutig beim Japaner, wer weiß das heute ? Angst hab e ich jedenfalls immer gehabt. Sogar in die Hosen gemacht hab e ich mir im Krieg einmal vor Angst. Das knallte, da gab e s kein Halten. Schlimme Sache. Hat aber keiner gemerkt. “
So ging es fort – und wenn Isidor Giese v on Heuschreckenschwärmen („wie bei Moses und dem Pharao“) und von Räuber Toppeltock erzählte, der früher in de r Gegend um Friedenst al mit seiner Bande hauste („s oll alles am Spieß gebraten haben, was er kriege n konnte, auch ungezogene Brut “) , gruselten sich die Kinder. Er malte ihnen mit einem Stock den Mammutknochen in den Sand, den Ferdinand Neumann 1898 in der Sandgrube gefunden hatte und den sie mit Lobgott untersucht hatt en, damals noch ohne Bart, aber schon belese n und klug und ein Musikus. Am lieb sten erzählte Giese die Geschichte, wie sie fast – Gott sei Dank: nur fast – abgeholt worden waren. Die Roten hatten den russischen Zaren gefangen , die gesamte Kaisersfamilie gemeuchelt, sogar die kleinen Mädchen und Jungen, und die deutschen Kolo nisten sollten alle weggebracht werden. Mit ihren Kutschen und Pferden hatten alle zum Bahnhof kommen müssen, und dort wartete ein Zug, mit dem sie nach Kiew transportiert werden sollten und von dort weiter nach Osten, hinter den Ural – niemand wusste Genaues. Nur ein plötzlicher Wintereinbruch hatte sie gerettet: Das russische Heer geriet in ein Schneegestöber und zog sich zum Dnjester zurück. Sie nahmen alle Wagen und Pferde mit, die am Bahnhof Bessarabeska standen, und fuhren auf und davon. „Der Kelch“, sagte Opa Giese, „ging noch einmal an uns vorüber. Ja, so war es. Was lebten wir damals in Furcht , und ist noch keine zwanzig Jahr her. Das ganze Dorf hätten sie ausgelöscht, die se Roten, und wer weiß, was aus uns geworden wäre in Sibi rien? Hinterm Ural ist es kalt, das kann ich euch sagen. Sogar im Sommer friert man da . Nicht wie hier. “
Minna kam aus dem Wasser und trocknete sich mit einem Tuch Gesicht und Haare ab, in denen Entenflott klebte . „Ahhh“, seufzte sie und ließ sich neben Alma auf den sandigen Boden fallen. „Das hat gut getan.“
„Schau mal“, sagte Alma und zeigte mit dem Kinn auf drei Bursche n, die nebeneinander am Ufer standen und ihre Angelruten hielten. Zwei von ihnen hatten Maispfeifen im Mund, und alle drei trugen geschlossene Schuhe, obwohl es heiß war.
„Geh mir ab“, sagte Alma. „Wie erwachsen die tun. Ist doch keine Stunde hier, dass die Schuhe und Hemd tragen müss ten. Albern .“
„G uck, der eine – das ist der kluge Reinhold vom Mühlen-Trautmann an der Lehmkuhle. Siehst du den …? Der hat so viele Schnittwunden im Gesicht, dass man meinen möchte, der tut e s mit Absicht. So ungeschickt kann man gar nicht sein. Hat bloß das bisschen Flaum unter der Nase wie ein Küken und tut, als müsste er sich jeden Tag rasieren.“
Alma grinste. „Können soll der auch nicht viel. Der liest immer nur, und sein Vater ist froh, wenn er ihm in der Mühle nichts anfäss t. E r soll alles kaputtkriegen, ohne sich anzustrengen. Deswegen ist der auch so mollig geworden. Vielleicht kann der wirklich nicht mit dem Rasiermesser umgehen.“
„Als müsste der sich rasieren. Der könnt e sich’s mit einem Handtuch aus dem Gesicht reiben, so wenig hat e r.“
„Aber schönes Haar hat er auf dem Kopf . Ist d och hübsch, wie ihm die Locke in die Stirn fällt. Ich mag blond es Haar. Und es ist so voll bei Reinhold…“
„Das Boot hinten – das kleine grüne, wo die Ruder im Sand stecken –, das ist seines, gla ube ich. Hat er von seinem Vater bekommen .“
„Deshalb tut er wohl so wichtig vor den anderen. Als wäre er der Herr Direktor vom Kogälnik.“
Minna ließ sich auf den Rücken fallen und lachte .
„Wer ist der in der Mitte?“, fragte Alma.
Minna stütze sich auf den Ellenbogen und sah zu den Jungen.
„Der Witwe Pahl ihrer. Der hat ei ne n
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