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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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begann, lag ein roter Papierdrachen, den ein Junge aus dem Unterdorf mitgeb racht hatte. Es war nicht windig genug , um ihn steigen zu lassen.
    „G u ck , Arthur“, rief Alma, „auf der Wiese. Siehst du , wer da kommt? Da hinten?“
    „Wo?“
    „ Wo die Lämmer sind und die Enten. Da ist Opa Giese.“
    Arthurs Augen folgten ihrem Finger, aber er sagte nichts.
    „Kennst du Opa Giese?“
    Arthur nickte. „Uhr“, sagte er.
    „Genau. Erinnerst du dich? Der Opa mit der Tick-Tack- Uhr.“
    Isidor Giese ging langsam am Ufer entlang zur Badestelle. Er hatte seinen Stock dabei und setzte sich bei den Sachen der Kinder auf einen Baumstumpf. Den Krückstock stellte er, Hände auf dem Griff, zwischen die Beine. Mit der anderen zog er ein Taschentuch hervor, nahm seinen Hut ab und w ischte sich den Schweiß von Glatze und Stirn. Eine Wespe hatte ihn am Morgen in den Handrücken gestochen, der angeschwollen war und ihn juckte und irritierte.
    „ Jesus aber au ch“, sagte er zu sich selbst, „‘ s is nu …“ Er atmete schwer, in den heißen Mittagsstunden machte ihm Asthma zu schaffen.
    „Tag, Opa Giese“, sagte Alma.
    „Guten Tag, guten Tag, liebes Kind... was ein Tag es ist…“ Er musste husten und hielt sich seine Hand vor den Mund.
    „Nun g uck nicht so, Almachen, als ob ich gleich sterben tät. Nur eine Wespe , da kommt die dicke Beule her. Hier auf der Hand, siehst du? So schnell stirbt e s sich nicht.“ Er röchelte, spuckte in sein Taschentuch und sah zufrieden auf.
    „Du “, brummte e r. „Wie heißt du, Junge ? Ic h habe glatt deinen Namen vergessen.“
    Arthur sah seine Schwester an.
    „Na sag es . “
    „Arthur Freier.“
    „Ahhh, den Arthur haben wir hier. Bist ein bisschen scheu ausgefallen, was? Das gibt sich schon noch, wirst sehen. Und wie alt bist du, kleiner Arthur?“
    „Drei“, sagte er und sah auf den Boden. „Bald bin ich vier.“
    „Ah, drei Jahre… Dann bist du bald so alt, dass du uns bleib en will st?“
    „I ch bin doch hier.“
    „Für immer bei uns bleibst, mein e ich.“
    „Aber Opa Giese“ , sagte Alma. „Natürlich bleibt er. In dem Alter sind sie aus dem Gröbsten raus. Mach uns keine Angst.“
    „Ja, wenn sie erst einmal vier oder fünf Jahr e alt sind, ja – dann bleiben sie oft. Früher war das anders. Wie ich jung war, weißt.“ Er sah zu den Booten auf dem Teich , merkte dann, dass der Junge ihn noch immer ansah, und wandte sich ihm wieder zu. „Willst du wissen, wie viel Uhr es ist, mein kleiner Arthur?“
    Der Junge nickte.
    „Dann wollen wir einmal schauen, was ich hier habe.“ Giese zog umständlich eine goldene Taschenuhr aus seiner Hosentasche, die mit einer Kette am Hosenbund befestigt war. Er hielt sie weit von sich, um das Ziffernblatt lesen zu können. „Weißt du, was das ist?“
    „Eine Uhr“, sagte Arthur .
    „Ganz recht, du bist ein kluges Kind , Arthur. Es wird et was Anständiges aus dir werden, wenn du so weitermachst. Und soll ich dir sagen, welche Zeit wir haben?“
    „Hmm.“
    „Viertel nach drei haben wir. Schau hier – leg einmal deine Hand darauf, es glänzt so schön in der Sonne und macht ganz leise tick, tick, tick . Tickeditickeditick. “
    Arthur fasste das Glas an, scheu und zugleich stolz.
    „Erzählst du uns was, Opa Giese?“, rief Lilli .
    Giese lehn te sich zurück . Er leckte mit der Zunge über seine tr ockenen Lippen und überlegte.
    „ Oh, ja!“, rief Jakob. „ Verzähl uns was vom japanischen Kr iech!“
    „Och, wisst ihr, der Krieg – das ist eine ernste Sache, so ein Krieg. Nicht lustig, das kann ich euch sagen. D ie Japaner haben ja au ch nich t mit Da mpfnudeln geschossen.“ Er grinste breit.
    Die Kinder lachten, als sie sich die flitzenden Nudelgeschosse vorstellten.
    „Warst du da mutig, Opa Giese?“, fragte Jakob.
    „Mutig? Ich? Nee, mutig war ich nie im Leben . Ihr macht mir Spaß. “
    „Bist du weggelaufen vor den Japanern im Krieg?“
    „So leicht war e s dann auch nicht. Konnte man ja nicht einfach am frühen Morgen das Säckel packen und abmarschieren. Wohin denn auch? Im hintersten Sibirien war das, wo wir waren, auf der anderen Seite der Welt , in der Mandschurei, wo sie Schlitzaugen haben. K ommt man nur mit dem Zug weg. Wenn man Glück hat und der n icht vorher kaputt geht . Ist auch keine Herrlichkeit in Sibirien, nur Wald , Sümpfe und flaches Land, das sie Tundra nennen, ach, und Bären – groo-ooße Bären gibt es…! Groß wie eine Britschk !“
    „Dann warst du nicht

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