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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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immer nichts Schöneres, als ohne Sattel oder Decke, nur mit Schlapphut, Kniehose und einem kragenlosen Russenhemd bekleidet , auf dem Rücken eines Pferdes zu sitzen, das durch die Reihen der Maisstauden schritt, und sein Vater wusste, dass niemand die Tiere besser führen konnte als er, also ließ er ihn. Es bereitete Georg Freude, die Bewegung unter sich zu spüren, den Rücken, die Rippen, den harten Schweif, der nach Fliegen schlug und seine Waden streifte. Er rieb sich nie wund. Wenn er barfuß durch die braunen Maiswedel ritt und den süßen Schweiß des Pferdes roch, gin g es ihm gut, und er fühlte sich unsterblich. So viel Zeit lag vor ihm, bevor er zurück nach Anschakrak musste, dass Georg sie sich nicht vorstellen konnte. Er würde reiten, seine Purzeltauben fliegen lassen, unterm Schardach oder im Stall schlafen, und nur sonntags würde er für ein paar Stunden Schuhe und Strümpfe tragen.
    Georg steckte die Geschwister mit seiner guten Laune an, die bald alle durcheinander riefen und selbst wilde Geschichten erzählten und ausschmückten und ihm berichteten, was seit Neujahr im Dorf geschehen war, wer noch lebte und wer nicht un d wie es den Tieren ging , die sie nicht gegessen hatten.
    „Iss nicht d ie ganze Wurst ohne Brot“, rief Oma Mathilde dazwischen. „Und kau langsam – es niemand dir niemand et was weg ! “
     
    Sie standen um halb fünf auf. Daniel Freier las in der Sommerküche aus dem roten Losungsbuch der Brüdergemeine . N ach dem Tischgebet begannen sie klappernd die Mahlzeit, während die Sonne über den Fi rst der Popschahäuser stieg. Rosie lag mit der Schnauze auf dem Boden vor ihrer Hütte und spitzte die Ohren. Si e spürte, dass sie mit Freier und Mischka aufs Feld fahren würde, und war hellwach, gespannt auf den A ugenblick der Abfahrt. Die Pferde stießen in den Ställen mit den Hufen gegen ihr Gatter und wieherten. Es ging ihnen nicht anders als Georg : Sie wollten an die Luft, sich bewegen.
    „Jakob, du“, sagte der Vater, als er ihm und Lilli auf dem Feld frisch geschliffene Hacken gab und ihnen die Mais reihen zuwies, in denen sie Disteln und Unkraut jäten sollten. „Schau dir genau an, wie Georg den Reiter macht, hast du mich verstanden? Du musst es ihm nur nachmachen, dann kannst du nichts falsch machen. Es k ommt die Zeit, dass du selbst auf dem Tier sitzt. Und du, Elisabeth, schaffst hier vorn und passt aufs Kind auf. Komm mit… – ja, du auch , Arthur… glucks nicht, nimm Lilli bei der Hand und komm… hopp…“
    Die drei Kinder gingen im Gänsemarsch hinter ihrem Vater her . Lilli und Jakob waren aufgeregt und stolz, mit den Erwachsenen auf dem Feld zu sein . Der Wagen stand neben einem Maulbeerbaum, der in den Mittagsstunden Schatten spe nden würde. An der Gabeldeichsel befestigte Daniel Freier ein Tuch. In der Mitte hatte es zwei sauber vernähte Löcher, durch die er Arthurs nackte Füße steckte. Dann schlug er auf beiden Seiten den Stoff hoc h und verband die Enden . Arthur lachte und strampelte: Er hing in einer Schaukel zwischen Deichsel und Boden, in Sicherheit.
    „D u darfst nicht zu weit weg vom Wagen gehen, Lilli “, sagte der Vate r. „Immer nur von da vorne… da wo der große Stein liegt… Von da bis rechts rüber machst du immer eine Reihe nach der anderen, dann bist du die ganze Zeit beim Kind in der Nähe.“
    Lilli nickte.
    „Und du, Arthur…“
    Der Junge sah mit dem Daumen im Mund zu seinem Vater.
    „Mach mir keine Schande heute. Wenn was ist oder wenn du pischern musst, rufst du Lilli. Die ist in der Nähe. Und nimm den Daumen raus, wo er nicht hingehört. Daumen im Mund tut Dummheit kund. “
    Bevor sie m it dem Umpflügen der trockenen Erde zwischen den Maisreihen begannen, gingen Freier und Mischka die Zieselmausf allen ab. Sie waren an den Rändern des Feldes, wo das Steppengras begann, in die Ausg änge der Bauten eingelassen. Mischka trug einen Wassereimer, in dem sie die gefangenen Tiere ertränkten, die sich in Todesangst entleerten. Sie steckten eine Blechfalle, die Seiten mit Löchern durchbohr t, ins Wasser und gingen mit dem überschwappenden Eimer zur nächsten. Wenn sie dort ankamen, war die Zieselmaus tot. Freier schnitt ihr mit einem Messer den Schwanz ab und steckte ihn in ein Ledersäckche n, das er auf der Primaria abgeben würde , um den Nachweis zu erbringen, dass er seine Quote erfüllt hatte. Den tropfenden Kadaver warf er in hohem Bogen ins Steppengras, das ihn mit kurzem Rascheln schluckte.
    „Wieder

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