Braeutigame
blodern, die jungen Leute.“
Alma legte den Löffel auf ihren leeren Suppenteller. Sie erwiderte nichts, verzog aber den Mund, um die Zurechtweisung nicht einfach zu übergehen.
Daniel Freier sah zu ihr hinüber. Er war unsicher, wie er die Angelegenheit zur Sprache bringen sollte, die ihm in den vergangenen Tagen durch den Kopf gegangen war. Wäre sie noch am Leben, würde Marga die beiden großen Mädchen beiseite nehmen und zum Popschaklak schicken, ihnen vielleicht einen neuen Kragen oder eine Bluse nähen – oder ein Kleid kaufen – oder ein hübsches Band vom Turkenitsch ins Haar flechten . Aber seine Frau war tot, sechs Jahre schon. Er musste es auf eigene Faust in die Wege leiten, so gut es eben ging.
„Willst du nicht auch hin, Alma , vielleicht... ?“, fragte er und aß seine Suppe weiter, als sei das Blodern beim Mühlen-Trautmann an der Lehmkuhle eine Nebensächlichkeit.
Alma sah erschrocken auf. „Wohin? Zu Trautmann?“
„Sicher zu Trautmann s . Zum Popschablodern.“
„Ich?“
„Ja nu n , du. Mit wem red e ich sonst ?“
Alma begann, mit Daumen und Zeigefinger ihre Unterlippe zu kneten.
„Ich weiß nicht. Meint Ihr?“
„Es ist bald Zeit. Da gehen alle jungen Burs chen hin und die ganzen Mädch en.“
Georg prustete am Tischende los, verschluckte sich an der Suppe und hustete. Im Speisesaal des Gymnasiums in Anschakrak hätte er laut in die Runde gepfiffen. Aber er verkniff es sich , weil sein Vater am Tisch saß und es frech gefunden hätte. Georg trank sein Glas Milch in einem Zug leer und griff nach dem angebrochenen Brotlaib vor sich auf dem Tisch, riss sich ein Stück ab, steckte es in den Mund und grinste kauend in die Runde. Jakob und Lilli sahen von einem zum anderen und lachten mit – mehr über das freche Prusten ihres groß en Bruders als über das Gespräch.
„Ich weiß nicht, Vater “, sagte Alma. „Die lachen mich doch aus, wenn ich zum Blodern hinkomm, wo nur die Älteren sind. Meint Ihr wirklich, da muss ich hin?“
„Ach, Alma – neunzehn Jahr e bist du nun fast und ein hübsches Ding. Jedenfalls hübscher als so manch e andere. Na… – nu n verzieh nicht gleich die Schnute. Ich kann das sagen, ich bin doch dein Vater , und wir sind hier unter uns . Da wird überhaupt keiner lachen, wenn du gehst, wirst sehen . Du b ist doch fast eine erwachsene Frau gewo rden. So ist der Lauf der Dinge . Ziehst dir ein hübsches Kleid an und machst dir die Haare schön… So. Trautmann – Vater Trautmann, der Alte – hat bei der Gromad vorgestern Wort gegeben bei allen, dass sie von Freitag an blodern, und ist hinterher noch einmal zu mir gekommen und hat es ein weiteres Mal gesagt. Das macht der doch auch nicht einfach so, gerissen wie der Fuchs ist. Hat doch seinen Jungen, den Reinhold oder wie er heißt – den mit den dicken Gläsern auf der Nase, der so altklug sein soll, wie Lobgott immer erzählt, auch wenn der Bursche wahrlich keine Schönheit geworden ist mit s einen Ohren, da war jemand nicht bei der Sache, als er das Kind schuf... Ab stehen die Windfä nger, als hätten sie seinen Kopf mit der Klemme auseinandergezogen und nie wieder in Ordnung gekriegt. Da muss der alte Trautmann sehen, wo der Junior abbleibt. W egen der hübschen Ansicht wird den keine nehmen wollen. Aber Land genug hat er wenigstens und vor allem die gute Mühle. Wird sich was Williges finden, möcht e ich meinen. Auf gutem Ackerland ist hier in der Landschaft noch keiner sitzengeblieben. Nicht bei uns im Ort. Frag mal Oma, wie sie ihren Opa Fritz kennengelernt hat.“
„Halt keine großen Reden, Freier!“, rief Oma Mathilde . Sie drohte ihm mit ihrem Suppenlöffel, an dem braune Kürbisreste und Zwiebelstücke klebten.
Ganz die Mutter seiner Frau, dachte Daniel Freier.
„Kennengelernt haben wir uns gar nicht, Fritz und ich, das wird dir Marga wohl erzählt haben. Jedenfalls nicht vor der Hochzeit. Weißt du doch genau, wie e s bei uns war damals: Da setzten sich die Eltern zusammen und palaverten und schrieben alles auf, das Vieh und die Hühner und jeden Sack Saat und jedes Messer und das gute Porzellan. Fritz und ich haben uns vorher nur einmal gesehen. Da war nicht die Rede von Liebe und Himmel. Wir wurden in die Stube geschickt – beim alten Jeschke in die gute Stube mit dem Kachelofen, im Winter war das, und draußen lag hoch Schnee. U m zu sehen, sagten unsere Eltern. Und wie wir fünf Minuten in der Bullenhitze am Ofen gesessen waren und gesehen hatten und nichts zu reden
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