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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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wussten und wieder rausgingen, hätte mal einer sagen sollen, dass eine r zu große oder zu kleine Ohren hä tte. Danach wurd e nicht gefragt bei uns. Geohrfeigt hätte der Vater mich.“
    „Das ist aber eine ganze Weile her, Oma“, sagte Minna. „Das war vor vierzig Jahren. Im neunzehnten Jahrhundert.“
    Oma Mathilde ließ ihren Löffel sinken. „Geh mir ab mit diesem modernen Zeug. Wir haben uns immer gut verstanden, mein Fritz und ich. Dies Gerede und Gejammere – wer wen mag und wie schön der eine ist und der andere. Bei hundert Dessjatinen muss man nicht aufs Gesicht oder auf die Ohren schauen. Und wenn Trautmann nu n mehr hat wie das – und das hat er ja wohl… und die Mühle noch dazu… da möcht e ich meinen, dass sein Sohn nicht lange nach der Braut suchen müsst e .“
    „Vater , glaubt Ihr wirklich, ich soll da hingehen?“, fragte Alma leise.
    „Ich komm e mit, wenn du willst!“, rief Georg und lachte laut. „Als Anstandswauwau.“
    „Halt du endlich deine freche Gosche“, sagte Oma Mathilde und schlug mit dem Handrücken nach seinem Arm. „Bengel, du. Seid ihr in der teuren Schule alle so verzogen und ungezogen? Wenn keiner mit dir spricht, hast du den Mund zu halten.“
    „Musst du selbst wissen, Kind“, sagte der Vater. Er rieb sich mit d en Fingern über die Bartstoppel auf dem Kinn.
    „Darf ich dann auch hin, mit Alma?“, fragte Minna und blickte in die Runde. „Wir können doch zusammen gehen. Dann kämmen wir uns die Haare un d flechten uns Zöpfe , damit sie aus dem Weg sind und beim Blodern nicht voll Popschaflusen werden und…“
    „Nicht so stürmisch, Fräulein“, sagte Freier. „Hat niemand gesagt, dass Sie zum Blodern gehen sollen. Von Alma war die Rede.“
    „Aber wir sind doch fast gleich alt!“, rief Minna.
    „Oh ja, bitte, Vater !“, sagte Alma. „Wenn Minna mit darf, gehe ich auch. O bitte – lasst uns beide zu Trautmanns Popschaklak gehen!“
    Freier sah zu Oma Mathilde , die Augenbrauen hochgezogen, als fragte er sie ohne Worte, was in so einem Fall mit Töchtern zu tun wäre. Sie bemerkte seinen Blick nicht – wollte ihn vielleicht nicht bemerken, dachte er, behandelte ihn wie Luft, das alte Geschoss –, sondern schob ihren Stuhl zurück, stand auf und sammelte die Löffel und die benutzten Suppen teller ein, die sie scheppernd i neinander stellte. Wenn Mathilde Jeschke die Worte fehlten, ließ sie Geschirr und Töpfe in der Küche sprechen.
    Freier zog seine Taschenuhr aus der Weste, ließ den Deckel aufschnappen und betrachtete lange das Ziffernblatt. „Schenk uns noch was ein, Mischka“, sagte er. Er bürstete mit den Fingerspitzen etwas eingetrockneten Dreck von seinem hochgekrempelten Hemdsärmel.
    „ Ich muss noch einmal d a rüber nachdenken“, sagte er zu Mischkas ausgestrecktem Arm, der die grüne Weinflasche hielt.
    Minna , Alma und Georg sahen ihn erwartungsvoll an. Oma Mathilde ließ die Suppenlöffel in den Waschbottich der Sommerküche fallen.
    „Nu n wollen sie gleich beide losziehen“, murmelte Freier. Er wandte sich unentschlossen an Mischka, leerte sein Glas.
    Alma und Minna sahen sich über den Tisch hinweg an. Sie versuchten, die Lippen still zu halten und nicht zu grinsen.
     
    „Die… ganze… Jugend…“, las Georg. „Na bitte.“ Er sah auf.
    „Das bin ich auch, ‚die ganze Jugend’. Hier steht es, g uck Minna. ‚Die ganze Jugend ist willkommen ‘ und kann heut e zum Trautmann. Kein Alter steht da, nirgends. Ich geh aufs Gymnasium in Anschakrak, also. Sag doch mal du.“
    Georg und Minna standen am folgenden Nachmittag zwischen den drei Popschahäu sern im Hof. Beide schwitzten; s ie kehrten die Lagerkör be aus und entfernten mit den längsten Stangen, die sie in der Werkstatt hatten finden können , die Mäusenester zwischen Planken und Erdboden.
    Georg hatte den Reisigbesen auf den Boden gelegt und hielt ein zerknittertes Stück Papier in den Händen. Frau Stelter hatte ihnen den Wanderzettel gebracht, den Samuel Trautmann am Morgen in vierfacher Ausführung an Alfred Ziegelmachers Schreibtisch am Ring aufgesetzt und beim Schütz abgegeben hatte. Der Rundbrief war von da an durch mehr als vierzig Paar Hände gegangen, von einem Haus über Mauern, Gräben und Zäune zum nächsten, bevor er am Nachmittag zu den Freiers an der Kälber Drift vorgedrungen war. Er war staubig und hatte an den Stellen, an denen Feuchtigkeit die blaue Tinte aufgelöst und verschmiert hatte, Flecken bekommen. ACHTUNG!!!, stand

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