Braeutigame
Entscheidung treffen würde. S ie war ein hartes, zähes Weib ge wesen, aber doch ein Weib, und s ie hätte mit seinen Mädchen… – ach, was wusste er, was sie mit seinen Mädchen gemacht hätte. Sie hätte jedenfalls nicht diese Ratlosigkeit in sich gehabt, dieses Zw eifeln, was richtig war mit Mädchen, was falsch. Einen Blick hätte sie auf den Kraft geworfen, und die Sache wäre entschieden gewesen – ja oder nein, aber entschieden –, und den Blick hätte sie nicht erst jetzt geworfen, wo es eigentlich viel zu spät war, wo es längst zu einer Herzensgeschichte geworden war und schon niemand mehr an das Land denken mochte, um das es doch immer ging.
„Weißt du, Alma, nach Glauben und Gefühlen ist es noch nie gegangen“, sagte Freier. „Wer wen mag…!? Wo kämen wir hin, wenn es danach ginge, wer wen mag? Man muss vernünftig bleiben, Kind.“
Alma biss sich auf die Unterlippe. „Ich bin vernünftig, Vater “, stieß sie hervor, ohne ihn anzusehen. „Heinrich ist nicht das, was du denkst… Das ist ein lieber, ehrlicher Mann, der hart arbeitet, Tag für Tag.“
„Wenn er nach seinem Vater kommt, b in ich mir nicht so sicher, s o wenig Land, wie der noch hat. N ach all den Jahren .. . Für nichts und wieder nichts geschuftet. “
„Es k ommt nicht jeder nach seinem Vater“, sagte sie, und für einen Moment meinte Freier, einen Vorwurf in ihrer Stimme zu hören. Wie hätte seine Alma nun nach ihm kommen können, wo sie ein Mädchen war!? Nach seiner Frau vielleicht – aber nach ihm …?
„Du hast selbst immer gesagt, dass im Leb en nicht alles nach einem Plan gehen kann, dass es Unglück gibt, und du weißt doch, dass es Mutter und Vater Kraft nach der Flut vom Fluss nicht gut gegangen ist. Was können sie dafür, wenn ihnen das Wasser alles verdorben hat?“
Da hatte sie nicht ganz unrecht, dachte Freier. Das Glück war nicht immer mit den Krafts gewesen, und dafür waren die Kinder – Heinrich und seine Schwester, die hübsch anzusehende… ja, Justine, hieß sie – nicht völlig missraten. Er zog sein Taschentuch aus der Hose und schnaubte kurz und heftig aus.
Alma hob ihren Kopf nicht, ließ ihre Augen aber vorsichtig zu ihrem Vater wandern.
„Bitte, Vater “, sagte sie leise.
Freier betrachtete sein Schnupftuch.
Er dachte an Marga – wie er ihr den Hof gemacht hatte, beim Popschablodern im Herbst 1916, als sie jung waren und noch keine Sorgen kannten.
„In Gottes Namen“, sagte er.
Sie sah auf.
„Fünfzehn Dessjatinen, Alma. Hast du mich vers tanden? Fünfzehn. Kein Stück mehr. Müsst ihr sehen, wie ihr damit zurecht kommt. Zum Sterben ist es zu viel. Nur ob e s euch damit gut gehen wird und euren Kindern ... – das ist eine andere Sache.“
„Aber du sagst doch immer, dass… ab hundert Dessjatinen schaut man der Frau nicht ins Gesicht.“
„Und?“
„Und mir willst du nur fünfzehn geben?“
„Du brauchst keine hundert. Du bist viel zu ansehnlich für hundert.“
Alma schnaubte leise.
„ Fünfzehn. Und dann sehen wir weiter , nach ein, zwei Jahren.“
„Es wird gehen, Vater .“
„Es muss . Wenn e r so hart arbeiten kann, wie du es mir sagst, dann kann er e s mir jetzt beweisen.“
TEIL III
Kapitel 10 : Deutschländer
„Das Ding ist schon wieder kaputt“, stöhnte Freier. „Pfui, Teufel. Es gibt nichts Rechtes mehr in dieser Welt. Alles zerbricht.“
„Was ist denn, Vater?“, fragte Arthur teilnahmslos. Er saß im Kontor auf den Dielen und spielte mit zwei kleinen, runden Magneten, die in seinen Fingern klackerten.
„Hier, dieses Teil. Weißt du , was das ist, Junge?“
Arthur schüttelte den Kopf.
„Ein Barometer. Etwas sehr Teures. Damit weiß man, wie das Wetter wird.“
„Wie geht das?“
„Puh... S o genau kann ich dir das nicht sagen. Aber unser Herr Lobgott meint, es hängt ein Haar von einem Mädchen drin. Oder von einer Frau auch. E in langes feines Haar. Und wenn da s Wetter gut werden soll, dehnt es sich, und dann zeigt der Strich hier oben au f hoch. Hier – dieses Wort… heißt... hoch. H. O. C. H. Aber siehst ja, draußen ist es so kalt, dass es einem den Rücken raufzieht und man friert, dabei sind wir schon mitte n im Frühling, und die Maschine zeigt immer no ch auf hoch. Hoch, hoch, hoch. Etw as andere s kann sie nicht mehr. Pfui . Es ist ein Elend mit Lottergerät. Man sollte sich gar nicht mehr damit abgeben.“
„Pfui“, sagte Arthur. Er glitt vom Stuhl, steckte seine Magneten in e ine Hosentasche und
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