Braeutigame
betrachtete das Barometer aufmerksam . Es hing so hoch an der Wand, dass er es mit ausgestreckten Händen nicht erreichen konnte.
„Am Bahnhof sind Leute gekommen“, sagte er schließlich .
„Was für Leute?“
„Von weit weg.“
„Hmm. Von weit weg .“ Freier setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl und suchte in den Schublade n nach Tabak . „Aus Anschakrak oder Kischinjew oder von wo? Wo ist für dich weit weg?“
„Ich we iß nicht. Noch von weiter her. I ch glaube aus Deutschland. Die trugen alle komische Kleider.“
„Von Deutschland sollen s ie sein? Wer sagt das?“
„Das sagen sie selbst. Die haben am Bahnhof laut geredet und gelacht, wie sie aus dem Zug gestiegen sind und dann auf dem Per r on standen mit ihren Koffern. Es hörte sich eigenartig an, aber es war schon deutsch. Ich habe e s selbst gehört, und verstanden habe ich es auch . Das meiste. Vo n weit weg klang das. Die haben e s nicht anders gelernt.“
„Und was trugen die am Leib? Uniform?“ Er sah Arthur in die Augen. „Nu n streng dich mal an und sag mir, was die am Leib hatten.“
„Nein, keine Un iformen. Helle Sachen . Weiße, helle Sachen.“
„Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen , Junge. Raus mit der Geschichte! “
„Es gibt sonst keine Geschichte . Die Männer – das waren so… vier oder fünf? – die trugen auch helle Sache und Kappen, und zwei hatten solche kurzen Ho sen an, wie sie Herr Giese trägt.“
„Knickerbocker meinst du? V om jungen Giese die Hosen, bis zum Knie runter nur? Vom Emil?“
Arthur nickte.
„Und was sind das für Leute?“
„Ich weiß nicht. Die hatten alle Gepäck dabei. Große braune Lederkoffer mit Riemen , jeder seinen eigenen. Musikinstrumente sind das, sagen sie. Lange Schachteln mit Instrumenten. So lang.“ Arthur streckte sein Arme aus.
„Ach du lieber Himmel.“
„Als Erstes sind sie zu Herrn Lobgott und zur Kirch e gefahren.“
„Dann waren sie aber nicht alt, diese Leute?“
Arthur dachte nach. „Erwachsene halt.“
„So alt wie ich oder älter? Oder so wie Alma?“
„ Jünger wie Ihr. Viel jünger. Aber etwas älter wie Alma, glaube ich. Ich weiß nicht.“
„Aber Soldaten waren e s nicht?“
Arthur schüttelte den Kopf. Er mochte Soldaten nicht und sah seinen Vater unsicher an.
„W enigstens etwas, Gott sei’s gedankt. Wollen wir hoffen, dass sie uns hier in Frieden lassen mit ihrem Krieg.“
„Opa Giese hat gesagt, wir kriegen auch Krieg.“
„Hat er das?“
Arthur nickte – stolz, etwas zu wissen, was der Vater nicht wusste.
„Blödsinn. Wir kriegen überhaupt keinen Krieg. Wir kriegen einen Schwiegersohn – und du kriegst e inen Schwager, auch wenn du Alma s Heinrich lieber Onkel nennst, hörst du? Sonst ist er nachher noch beleidigt, wenn du frech redest. Krieg kriegen wir gar nicht. Haben wir g e rad e genug von gehabt, damals. Da ist überhaupt keine Zeit für bei all er Arbeit. Und nun gehst du und holst mir mal alle deine Geschwi ster her, vor allem Alma und Minna… – und Hedwig und Mischka. – Wart e einma l, ist Alma überhaupt schon zurück? Die war doch heute Nachmittag mit Heinrich zum Verhör beim Pomreinke, damit alles seine Ordnung hat. Ist sie schon wieder da?“
„Vorhin hab ich sie in der Sommerküche machen sehen.“
„Dann ist es gut. Dann lauf und geh sie holen und die anderen auch alle, sonst wird das nie was mit dieser Hochze it. Alle Hände voll zu tun gibt e s. Auf – hol sie alle zu mir ins Kontor. Jetzt müssen wir eine F eier mache n. Generalstabsmäßig geplant. “
Als Boias Dressner fünf Tage später bei den Freiers im Hof saß und in der späten Abenddämmerung ein Bier trank, gab es keine Neuigkeiten vom Krieg, aber von den Deutschländern.
„Lustige Leutchen sind das“, sagte Dressner. „Kann man nicht meckern.“ Er streichelte Rosie, die zwischen seinen Beinen saß, hinter den Ohren.
„Meinst du ?“
„Sieben Leute, fü nf Jungen und zwei Mädel. Ri chtige Musikanten, Freier! Da kann nichts Schlechtes bei rauskommen. Wo gesungen wird, lass dich nieder, sagt man doch. Studenten sind es , junge Leute noch, alle gut g eraten, die Mädchen wie die Bursch en. Lulu rufen sie die eine, ein hübsches Ding, sag ich dir. Eigentlich heißt sie Luise. Ganz blond ist sie… blondes, glänzendes Haar. Prächtiges Kind.“
„Du redest mir, Dressner. Du h ast doch deine Frau. Bist du unter die Schlawiner gegangen? “
„Reden schade t ja nicht. Tun tu ich schon nichts.“
„Der
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