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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Braun
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und Erzengel und fliegende Pferde und Streitwagen u nd das neue Jerusalem. Ich kann e s dir n icht erklären. Unsere Mutter hat da s immer gesagt und Pomreinke auch. Dass man sich imm er an den Herrngott halten soll , um nicht in Versuchung zu kommen. Hier, nimm – willst du ein paar Beeren?“
    Heinrich steckte sich zwei Himbeeren in den Mund. „Hmm“, machte er. „Wo hast du die gepflückt ?“
    „Hier und da. Den Weg vom Ort zum Schäfertal hin stehen überall Sträucher, und die Beeren kannst du abpflücken bis in den Herbst.“
    Heinrich ließ sich auf den Rücken fallen und betra chtete die Blätter, die grünen, noch unreifen Früchte der Kastanie und den Himmel über sich. „Schau, da steht schon der Mond . G anz blass heute.. . Die Sonne ruft den Mond zur Nacht – muss ich immer dra n denken, wenn ich den Mond sehe . Weißt du noch, das Gedicht von Lobgott in der Schule?“
    Sie nickte. „Schön ist es hier. Man sitzt hoch und kann weit übers Land sehen. An so einer Stelle möcht e man begraben sein.“
    „Du redest…  Was denkst du an so einem Tag ans Sterben?“
    „ Der Mond ist ganz weiß.. .“
    „Dabei soll es nur ein großer Klumpen sein. Ein Stein, den die Sonne anleuchtet.“
    „Du klingst schon wie Lobgott“, sagte Alma. „So gelehrt.“
    Heinrich lachte. „Den Mann im Mond gibt es einfach nicht.“
    „Meinst du nicht, dass der Mond ein Auge auf die Menschen hat?“
    „Ich weiß nicht. Könnt e schon sein. Auf die, die sich liebhaben vielleicht.“ Er suchte nach ihrer Hand und drückte sie. „Die Liebenden. Wie im Gedicht.“
    Alma lächelte, aber er sah es nicht. Er zog ihre Hand vor seinen Mund und k üsste sie. „Du hast rote Finger vom Sammeln.“
    „Wenn ich hier sitz e und den Himmel seh e und den Mond u nd die Sonne – wird mir warm ums Herz. Da denk e ich, was es in der Welt doch alles gibt. Zu sehen gibt.“
    „Was denn?“
    „ Berge .. . Das Meer .. . Die wilden Tiere... “
    „Warst du schon einmal am Meer?“
    Sie nickte. „ Mit meinem Vater, vor zehn Jahren oder so , ich war noch klein. Wir waren in Odessa , und auf der Fahrt haben wir vom Wagen aus lange den Dnjester-Liman und dann das große Meer gesehen. Von weit weg. Wie Silber. Und Odessa hat ja den Hafen. “ Alma roch an den Wicken. „Wie süß die riechen“, sagte sie leise.
    „Und wie war das am Meer ? Ich war noch nie da.“
    „Gerochen hat es. S alzig und kalt. Nicht so wie hier, wo im Sommer überall Staub ist und Hitze. Da möchte ich noch einmal hin im Leben.“
    „Ich auch.“
    „Und nach Berlin vielleicht, eines Tages. B ei Frau Dressner habe ich Bilder gesehen . Eine richtig große Stadt ist e s, groß wie Odessa oder noch größer, mit einer Million Menschen , stell dir vor .“
    Heinrich zog sie zu sich und küsste sie auf die Wange. Sie drückte ihn mit den Händen vorsichtig weg, aber sie sah ihn an, lächelte.
    „Magst du et was für mich singen?“, fragte er.
     
    Die Sonne stand tief über den Hügeln im Westen. Ein Kauz rief in der Dämmerung. Sie sprachen lange nichts, sahen mit ineinander gesteckten Fingern in den Himmel.
    Heinrich fragte, ob er sie noch einmal küssen dürfte.
    Alma war aufgeregt und konnte nicht sprechen. Sie spürte , wie sich die Haare auf ihren Untera rmen a ufstellten. Es war ihr peinlich; sie hoffte, er merkte es nicht. Sie drückte ihre Handfläche gegen den staubigen Boden, um ihre Nervosität zu überspielen.
    Sie schw ieg, blickte ins Tal, sagte nichts, weder ja noch nein; für einen Augenblick war Heinrich enttäuscht und unsicher. Dann wandte Alma ihm ihren Mund zu, nahm seine W angen – die Grübchen – in ihre vom Beerenpflücken schmutzigen Hände und küsste ihn, wie sie noch nie in ihrem Leben geküsst hatte.
     
    Heinrichs Eltern, Gottfried und Pauline Kraft, gingen a m übernächsten Sonntag nach dem Gottesdienst auf Daniel Freier zu . Er half Oma Mathilde auf d en Bock des Wagens , als Gottfried Kraft sich hinter seinem Rücken räusperte, seine Schirmmütze vom Kopf zog und ihm eine Hand entgegenstreckte.
    „Kraft“, sagte er, „Gottfried Kraft. Das hier ist meine liebe Frau Pauline. Eine geborene Sackmann.“
    Freier war überrascht, dass ihn Leute, mit denen er nie zu tun gehabt hatte, ansprachen. Er sah aus den Augenwinkeln, dass Oma Mathilde den Krafts freundlich zunickte.
    „Ja, Freier der Name“, sagte er schließlich. „Guten Tag. Von der Kälber Drift.“
    Gottfried Kraft nickte ihm wohlwollend zu. „Das haben wir

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