Bragg 04 - Dunkles Verlangen
Lippen.
Jane nahm einen Schluck, fing an zu husten, drehte angewidert den Kopf zur Seite und sah Patricia. Sie war wie vor den Kopf gestoßen.
Der Earl drehte sich wütend um. »Bitte erwarte meine Anweisungen im Salon«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Sie sah ihn zornig an, aber sie hatte auch Angst vor ihm. Deshalb ging sie mit einem gleichgültigen Schulterzucken aus dem Raum.
»Oh Gott«, rief Jane, ließ sich wieder auf das Sofa sinken und schlug die Hände vor das Gesicht.
»Wir finden schon eine Lösung, Jane«, versprach der Earl, doch in seiner Stimme war ein Anflug von Verzweiflung zu hören.
Jane richtete sich auf dem Sofa auf. »Ich möchte jetzt in mein Zimmer gehen«, brachte sie mühsam hervor. Ihr Gesicht war schneeweiß, und sie sah ihn mit ihren blauen Augen verzweifelt an. »Wie kann es nur sein, dass sie noch lebt?«, rief sie. »Und warum taucht sie ausgerechnet jetzt wieder auf?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er bedrückt. »Ich weiß es nicht.«
Der Earl lehnte sich gegen die Salontür, die er gerade hinter sich zugemacht hatte. Aus seinen Augen sprach nackter Hass.
In der Mitte des Sofas thronte Patricia Weston. Sie trug ein goldenes Brokatkleid und war noch immer von erlesener Schönheit. Sie hielt seinem Blick stand und sah ihm mit einem arroganten Lächeln entgegen.
»Unglaublich«, sagte der Earl. »Hast du dich in den vergangenen sechs Jahren wenigstens gut amüsiert, Patricia?«
Sie machte einen Schmollmund. »Jedenfalls scheinst du dich gut zu amüsieren.
Er ballte die Fäuste.
»Warum bist du zurückgekommen? Und wo hast du überhaupt die ganze Zeit gesteckt?«
»Ich war die meiste Zeit in Amerika«, sagte sie, als ob von einem zweiwöchigen Urlaub die Rede sei. »Und ich bin gekommen, um mir zu holen, was mir gehört.« Sie sah ihn aus ihren grünen Augen kalt und böse an.
»Du meinst doch nicht etwa Clarendon.« Der Earl lachte. »Clarendon gehört Chad. Und ich habe eine Frau.«
»Tatsächlich? Meinst du etwa das kleine Flittchen? Vor dem Gesetz bin immer noch ich deine Frau, die Kleine ist bloß deine Mätresse.«
»Du verdammte Hure. Glaubst du wirklich, dass ich mit dir noch einmal unter einem Dach leben werde?«
»Ganz sicher gibt es eine beiderseits befriedigende Lösung, Nick.« Patricia strich ihr Kleid glatt. »Natürlich werde ich woanders wohnen. Unsere Wege brauchen sich nie zu kreuzen. Du zahlst mir lediglich einen angemessenen Unterhalt und überlässt mir mein Erbe, das ich vor sechs Jahren zurückgelassen habe, weil ich völlig überstürzt vor dir fliehen musste.«
»Die zehntausend Pfund, die dir noch zustehen, kannst du gerne haben«, giftete der Earl. »Ich brauche das Geld ohnehin nicht.« Erst jetzt begriff er in aller Deutlichkeit, in welch unerträglichem Dilemma er steckte. »Mein Gott«, rief er, als ihm klar wurde, dass Patricia und nicht Jane seine rechtmäßige Frau war.
»Keine Sorge, die Kleine kannst du von mir aus behalten. Eigentlich kommt sie mir sogar ganz gelegen. Aber zusammenleben mit ihr kannst du natürlich nicht«, sagte Patricia. »Das wäre zu anstößig.«
Er fuhr herum. Am liebsten hätte er sie erwürgt. »Am besten wäre es, zu tun, was man mir seit Jahren zum Vorwurf macht«, knurrte er. »Vielleicht sollte ich dich wirklich umbringen.«
Patricia erbleichte.
»Erdreiste dich nicht«, sagte der Earl drohend, »erdreiste dich nicht, mir Bedingungen zu stellen.«
»Das war doch nicht böse gemeint«, sagte sie und sah ihn ängstlich an.
»Weißt du eigentlich, dass man mir einen Mordprozess gemacht hat?« Er bebte vor Wut am ganzen Körper. Wieder sah sie ihn ängstlich an. »Und du hast dich versteckt und dich tot gestellt, während man mich hier des Mordes anklagt.«
»Oh, das habe ich nicht gewusst.«
Er wusste genau, dass sie ihn belog, das sah er in ihren Augen. »Du bist ein unglaublich selbstsüchtiges Weibsstück. Ich vermute, dass du dich in den vergangenen Jahren mit Boltham amüsiert hast. Oder ist er etwa nach dem Prozess nicht sofort nach Amerika gefahren?« Er wartete ihre Antwort gar nicht erst ab. »Nicht mal deinem eigenen Sohn hast du ein einzige Träne nachgeweint«, fuhr er sie an.
»Chad kannst du haben«, sagte sie und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Sie verzog angewidert den Mund. »Er gehört dir, dir ganz allein.«
Der Earl verglich die Frau, die vor ihm stand, mit der schönen, der großherzigen Jane. Er konnte nicht mehr begreifen, wie er diese Frau je
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